Dienstag, November 26, 2024
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MKK: Die Folgen des Kriegs und das lange Warten auf Frieden

Im Main-Kinzig-Kreis sind seit gut einem Jahr Notunterkünfte und neue Gemeinschaftseinrichtungen in Betrieb, weitere kommen ab April hinzu

Main-Kinzig-Kreis. – Seit über einem Jahr tobt in der Ukraine ein zerstörerischer Krieg, der für viele Millionen Menschen den Verlust der Heimat bedeutet und sie zur Flucht getrieben hat. Im März des vergangenen Jahres hatte der Main-Kinzig-Kreis für eine schnelle Versorgung der Ankommenden erste Notunterkünfte im Jugendzentrum Ronneburg und in der Schulturnhalle Birstein eingerichtet. Ein Jahr später sind die Herausforderungen noch ähnlich, wenngleich sich die Frage nach der Unterbringung der Menschen auch in der Region weiter verschärft hat.

„Alle Kommunalverwaltungen haben in den vergangenen Monaten Kräfte zusammengezogen und verstärkt, die sich um die Beschaffung von Wohnraum kümmern. Das geht auch in diesem Jahr so weiter, während für viele ukrainische Familien so etwas wie Normalität in dieser außergewöhnlichen Zeit einkehrt. Die Kinder werden in den hiesigen Kitas betreut und in den hiesigen Schulen unterrichtet“, berichtet Landrat Thorsten Stolz. „Aber echte Normalität wird es erst dann geben, wenn der Grund für die Flucht beseitigt ist und Frieden herrscht. So lange wird uns dieser russische Angriffskrieg auch in unserer Region noch weiterhin direkt beschäftigen.“

Im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2022 machten in größerer Zahl auch Menschen aus anderen Kriegs- und Krisenländern von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch. Aktuell liegt die Zahl der wöchentlich neu Ankommenden bei rund 90 Personen, derzeit mehr Menschen aus der Ukraine als aus anderen Staaten. Im Jahr 2022 und in den ersten zwei Monaten des neuen Jahres haben die Ausländerbehörde in Hanau und in Gelnhausen bisher rund 7.000 ukrainische Geflüchtete und rund 2.900 sogenannte Drittstaatler registriert.

Der Main-Kinzig-Kreis wie auch die Städte und Gemeinden haben auf diese hohen Zahlen mit einem massiven Ausbau ihres Wohnraum-Bestands reagiert. Der angespannte Wohnungsmarkt macht die Aufgabe nicht einfach. Leichtbauhallen und Containeranlagen dienen mittlerweile als schneller und pragmatischer Behelf in einer dynamischen Situation. Der Kreis kam im Frühjahr 2022 auf eine Gemeinschaftseinrichtung mit Platz für rund 200 Menschen – die Einrichtung Hof Reith in Schlüchtern. Im Frühjahr 2023 sind es nun 20 Einrichtungen mit Platz für gut 2.000 Menschen. Die meisten der zu Notunterkünften umgebauten Turn- und Mehrzweckhallen sind indes bereits wieder zurückgebaut und instandgesetzt oder stehen kurz davor.

Der Betrieb in den Einrichtungen verlaufe in gut geordneten Bahnen, so Susanne Simmler, Erste Kreisbeigeordnete und zuständige Dezernentin. „Die Geflüchteten begegnen den Beschäftigten vor Ort mit großer Dankbarkeit und passen sich an die neue Situation an. Wo es uns möglich ist, vermitteln wir über die Betreiber und Ansprechpartner in den Einrichtungen auch Hilfe und Unterstützung, zum Beispiel bei medizinischen Fragen. Diese permanente Erreichbarkeit hat sich bewährt, das setzen wir auch an den neuen Einrichtungen um“, berichtet Simmler.

In Freigericht etwa waren von Beginn an Ansprechpartner vor Ort, die auch die Landessprache der neuen Bewohnerinnen und Bewohner sprechen. Das hat das Zurechtfinden in der Gemeinschaftseinrichtung und die Aufklärung über Hausregeln und die nächsten Integrationsschritte erleichtert. Mittlerweile helfen diejenigen, die schon eine Weile in Altenmittlau leben, den Neuen bei der Orientierung. Gleiches weiß Susanne Simmler auch von den Einrichtungen zu berichten, die als Erstunterkunft dienen, etwa die Notunterkunft in Nachbarschaft zur Kreissportanlage in Gelnhausen. „Wir erleben eine Ausnahme- und Notsituation. Die Bewohnerschaft erlebt diese belastende Zeit noch einmal viel intensiver. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie ruhig es trotzdem in den Notunterkünften zugeht und wie viele ungefragt mit anpacken und vermitteln“, so Simmler.

Im Laufe des Monats April geht in Bad Soden-Salmünster eine neue Notunterkunft in den Betrieb. Nach dem Erwerb der früheren Gewerbeimmobilie im vergangenen Jahr finden aktuell noch letzte Arbeiten im Gebäudeinneren statt. Schon jetzt nutzt der Main-Kinzig-Kreis das Gelände als Sammelpunkt, um die Menschen, die aus der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in den Kreis kommen, zu empfangen, erste Fragen abzuklären und dann in die weiteren Unterkünfte zu bringen. Dauerhafter Wohnraum befindet sich in Erlensee und in Maintal im Aufbau. Auch für sie plant der Kreis mit einem Bezug im zweiten Quartal dieses Jahres.

In den ersten Notunterkünften und Gemeinschaftseinrichtungen hatte der Main-Kinzig-Kreis die Hilfe von erfahrenen externen Betreiberunternehmen und Hilfsverbänden eingeholt. In den Einrichtungen, die in diesem Jahr in den Betrieb gehen, sind es kreiseigene Beschäftigte. Sie koordinieren den Zu- und Wegzug in den Einrichtungen, geben Orientierung in Alltagsfragen und strukturieren den internen Betrieb. Sie sind auch direkte Schnittstellen zwischen dem Main-Kinzig-Kreis und den Kommunen, in denen die Unterkunft steht. Beschwerden aus der Nachbarschaft gebe es an den Standorten praktisch keine, so Simmler. „Wir gehen bei allen Einrichtungen transparent mit dem um, was geplant ist und wie wir weiter vorgehen. Wir nehmen auch nach Betriebsstart Hinweise und Anregungen auf. Das Zusammenspiel ist gut, die Akzeptanz ist dankenswerterweise hoch“, so die Erste Kreisbeigeordnete.

Landrat Thorsten Stolz erinnert daran, dass es neben der gesetzlichen und humanitären Pflicht rund um die Aufnahme von Geflüchteten noch eine politische Dimension gibt. „Wir werden im Main-Kinzig-Kreis nicht müde darauf hinzuweisen, dass wir in absoluten Zahlen die meisten Geflüchteten aufnehmen, auch mehr als die kreisfreien Städte Hessens zusammen, teils auch mehr als die ganze nordhessische Region zusammen. Wie kann das sein, gerade angesichts dieser besonderen Zeiten mit hohen Geflüchtetenzahlen?“ fragt Thorsten Stolz. „Einem Gespräch darüber verweigert sich die Landesregierung aber nach wie vor, geschweige denn einer Anpassung. Das sorgt bei uns ebenso für Frust und Wut wie auch in den Rathäusern. Deshalb gehen wir gegen die ungerechte Verteilsystematik des Landes nun eben juristisch in Form von einer Normenkontrollklage vor.“

Der Kreisausschuss hat sich über diesen Rechtsweg auch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ausgetauscht. Die Unterstützung aus der kommunalen Familie sei groß, berichtet Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler, die im Austausch mit weiteren Landkreisen steht, aber auch die Verbindung in die Kommunen des Kreises hält.

„Es herrscht seit über einem Jahr Krieg in Europa, das ist eine enorme Herausforderung. Die Bewältigung der Folgen, Flucht, Vertreibung, Unterbringung im Ausland, ist eine, die von allen politischen Ebenen angegangen werden muss, von den Kommunen und den Landkreisen über die Landes- bis hin zu den Bundesregierungen. Und sie erfordert Kommunikation miteinander und einen den Kommunen zugewandten Pragmatismus. Das müssen wir im Interesse aller intensivieren“, macht Susanne Simmler deutlich.

Landrat Stolz erklärt abschließend: „Seit über einem Jahr wird durch die kommunale Familie Großartiges geleistet. Landkreise, Städte und Gemeinden, viele Bürgerinnen und Bürger im Haupt- und Ehrenamt tun alles, um Geflüchtete und Asylbewerber unterzubringen und zu versorgen. Was es aber braucht, ist eine viel stärkere Unterstützung durch Bund und Land und das Bewusstsein für eine realistische Flüchtlingspolitik und die Herausforderungen direkt vor Ort. Hierzu wird sich der Main-Kinzig-Kreis in den nächsten Tagen mit den 29 Städten und Gemeinden gemeinsam positionieren und einmal mehr eine klare Erwartungshaltung gegenüber Bund und Land formulieren“, kündigt Landrat Thorsten Stolz an.

Bildunterschrift: In den vergangenen zwölf Monaten hat der Main-Kinzig-Kreis mit dem Aufbau von Notunterkünften und Gemeinschaftseinrichtungen seine Wohnplätze für Geflüchtete von rund 200 auf etwa 2.000 gesteigert.

Quelle: Frank Walzer

 

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