Ausstellung „80 Jahre Kriegsende – die letzten Zeitzeugen“
im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen zu sehen und zu hören
Main-Kinzig-Kreis. – Es war eine ebenso bewegende wie berührende Veranstaltung: Anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes fand im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen eine sehr gut besuchte Ausstellungseröffnung zum Thema „80 Jahre Kriegsende – die letzten Zeitzeugen“ statt. Dabei standen jene Menschen im Mittelpunkt, die das Kriegsende selbst erlebt haben und davon berichten können. Das Zentrum für Regionalgeschichte des Main-Kinzig-Kreises hatte Zeitzeugen dazu aufgerufen, sich beim Main-Kinzig-Kreis zu melden.
„Es war überwältigend, wie groß die Resonanz auf unseren Aufruf war“, erklärte Zentrums-Leiterin Christine Raedler. Insgesamt entstanden 25 Interviews und Erlebnisberichte von Menschen aus der Region, die ihre Sicht auf diese schwere, von Krieg und Zerstörung und großen Entbehrungen geprägte Zeit schildern. Landrat Thorsten Stolz würdigte das Projekt und betonte, wie wichtig eine lebendige Erinnerungskultur sei. Er brachte in diesem Zusammenhang ein Zitat des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Erinnerung, der sagte: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“. Das gelte erst recht in der heutigen Zeit, in der immer wieder Stimmen laut werden, die einen Schlussstrich unter das Erinnern an die Nazi-Diktatur und den Holocaust fordern. Der Landrat erteilte dieser Forderung eine klare Absage: „Ja, wir brauchen diese Erinnerungs- und Gedenkkultur und Ausstellungen wie diese, denn sonst geben wir uns der Gleichgültigkeit hin.“ Hinzukomme, dass die Zeitzeugen immer weniger werden. „Deshalb ist es so wichtig, sie in Projekten wie unseren Zeitzeugen-Interviews zu Wort kommen zu lassen. Um deutlich zu machen, wie allumfassend die Auswirkungen des Zweiten Kriegs waren – auf die Menschen, die in dieser Region lebten und damals noch ganz jung waren“, so der Landrat. Die Interviews seien ein wertvoller Schatz für künftige Generationen hier im Main-Kinzig-Kreis.
Dabei gehe es um vier Dinge: Erinnerung, Gedenken, Mahnung und Hoffnung. Erinnerung, wie sinnlos das Kämpfen und Sterben waren, erst recht in den letzten Kriegstagen. Diese Erkenntnis kommt auch in den Interviews zur Sprache. Weltweit kamen fast 60 Millionen Menschen während des Zweiten Weltkriegs ums Leben, auf Kriegsschauplätzen, im Bombenhagel, aber auch in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern, in Gefangenschaft, durch Krankheit oder auf der Flucht. „Dieses große menschliche Elend ist uns eine deutliche Mahnung, was Krieg und Gewalt bedeuten“, so Landrat Thorsten Stolz. Angesichts des unermesslich großen Leids, das Deutschland verursacht hat, sei es völlig absurd, hier einen Schlussstrich zu fordern. „Wir dürfen es uns nicht zu bequem machen, sondern müssen klare Kante gegenüber allen Kräften zeigen, die ein anderes Deutschland, ein anderes Europa wollen“, betonte der Landrat. Es sei ein großes Privileg, in den zurückliegenden 75 Jahren seit Gründung der Bundesrepublik in Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben zu können. Trotz der gegenwärtigen Kriege auf der Welt sei es wichtig, niemals die Hoffnung aufzugeben, dass ein Leben in Frieden für alle Menschen auf der Welt möglich ist. „Jede neue Generation hat dazu die Chance, diese Hoffnung, diesen Wunsch Realität werden zu lassen und es besser zu machen“, stellte Thorsten Stolz fest und bedankte sich bei den Zeitzeugen für ihre Bereitschaft, diese Erinnerungen zu teilen.
Einer der Zeitzeugen ist Ulrich Freund. Er lebte damals mit seinen Eltern in der Reha-Einrichtung Küppelsmühle in Bad Orb, geboren wurde er 1936. Er berichtete davon, dass die Küppelsmühle ab 1940 zu einem Reservelazarett umfunktioniert wurde, mit 350 Verwundeten. Als kleiner Junge gehörte der Anblick der Soldaten zu seinem täglichen Leben. Auch wenn er noch zu jung war, um alles zu verstehen, was die Männer sich erzählten, so nahm er deutlich ihre Angst wahr, die Angst, wieder an die Front zu müssen, zurück zu Tod und Zerstörung. Diese Angst prägte sich ihm tief ein. Einer der Soldaten nahm sich 1943 das Leben, indem er sich am Garderobenhaken in einer Toilette erhängt hatte – aus Furcht, wieder ins Kriegsgeschehen zu müssen. Diese ganz persönliche Erfahrung mit den Schrecken des Krieges, die sich nicht auf die Kriegshandlungen selbst beschränken, sondern sich auch tief in die Zivilgesellschaft eingegraben haben, ist in vielen der Zeitzeugen-Interviews spürbar.
Die Ausstellung gibt auf Schautafeln die Erinnerungen der Zeitzeugen wieder und ist noch bis zum 28. Mai zu den Öffnungszeiten des Main-Kinzig-Forums zu sehen. Zusätzlich können an vier Stationen die Stimmen der Zeitzeugen gehört werden, die über Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg berichten. Es sind Schilderungen aus dem Alltag der damals noch ganz jungen Männer und Frauen, die zeigen, wie stark das Leben durch die Kriegshandlungen geprägt war und wie schwer es war, diese Zeit nicht nur zu erleben, sondern sie auch zu überleben.
Das Zentrum für Regionalgeschichte wird aus dem für die Ausstellung zusammengetragenen Material eine Publikation erstellen, um die Erinnerungen der Zeitzeugen zu bewahren. Zudem sind Podcasts vorgesehen. Die Stiftung der Kreissparkasse Gelnhausen unterstützt das multimediale Gesamtprojekt mit 6.400 Euro. Stefan Hummel, Regionalleiter der Kreissparkasse Gelnhausen, übergab einen Spendenbrief an Landrat Thorsten Stolz.
Ausstellung Zeitzeugen: Zeitzeuge Ulrich Freund berichtete darüber, wie er in Bad Orb als Kind die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs erlebt hat.
Zeitzeugen2: Das multimediale Zeitzeugen-Projekt wird von der Stiftung der Kreissparkasse Gelnhausen unterstützt. Unser Bild zeigt bei der Übergabe der Förderung (von links) Christine Raedler (Leiterin des Zentrums für Regionalgeschichte beim Main-Kinzig-Kreis), Landrat Thorsten Stolz, Stefan Hummel (Regionalleiter der Kreissparkasse Gelnhausen) und Dr. Anselma Lanzendörfer (Leiter des Amtes für Kultur, Sport, Ehrenamt und Regionalgeschichte).
Quelle: Redaktion MKK Echo