Sonntag, November 24, 2024
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Broschüre „#Pflege ohne Gewalt“ soll an einem Tabu rütteln

Susanne Simmler präsentiert Leitlinien zum Umgang mit Gewalt in der Pflege

Main-Kinzig-Kreis. – „Alle wissen, dass es Gewalt in der Pflege gibt, aber es wird nicht oder kaum darüber gesprochen. Nur wenn die Medien überregional oder sogar bundesweit einen Fall aufgreifen, findet das Thema seinen Weg in die Öffentlichkeit. Wir sollten uns bewusst machen, dass Pflege ein Beruf ist, den Menschen für und mit Menschen ausüben. Da ist Konfliktpotenzial vorprogrammiert und leider eben auch Potential für alle möglichen Facetten von Gewalt vorhanden“, sagte Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler bei der Präsentation der Broschüre „#Pflege ohne Gewalt“ im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen. „Wir waren der Ansicht, hier muss ein Weg gefunden werden, gemeinsam an diesem offensichtlichen Tabu zu rütteln und Möglichkeiten zu schaffen, miteinander ins Gespräch zu kommen, Gewalt zu verhindern und zu helfen.“ So sei die nun präsentierte Broschüre entstanden. „Alle, die zum Gelingen des Projekts beigetragen haben, haben wahre Pionierarbeit geleistet und die Institutionen und Einrichtungen, die dieses Büchlein haben entstehen lassen haben Mut bewiesen. Ihnen allen möchte ich meinen ausdrücklichen Dank und außerdem Anerkennung für den Mut aussprechen, das Thema offen anzugehen und Haltung zu zeigen“, so die Sozialdezernentin. Entstanden sei ein Büchlein für Einrichtungen der Pflege, Pflegekräfte und pflegende Angehörige, das auch in der Ausbildung von Pflegekräften eingesetzt werden kann.

Irmhild Neidhardt, Leiterin der Abteilung Leben im Alter der Kreisverwaltung, erläuterte: „Die Dunkelziffer ist hoch. Unser Ziel ist es, für Pflege ohne Gewalt zu sensibilisieren und gezielt Aufklärung zu leisten.“ Gewalt in der Pflege habe unterschiedliche Formen. Sie könne von Pflegekräften, von den zu Pflegenden oder auch von pflegenden Angehörigen ausgehen. „Wir wollen die Bereitschaft fördern, sich mit dem Thema und den Zusammenhängen zu befassen und so die Voraussetzungen schaffen, um Diskriminierung, finanziellen Missbrauch, körperliche oder psychische Gewalt und intime Übergriffe sowie freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden“, ergänzte sie.

Die Abteilung Leben im Alter lud im November 2021 interessierte Führungskräfte – zum Beispiel Einrichtungsleitungen, Geschäftsführungen und Pflegedienstleitungen – aus stationären Einrichtungen und ambulanten Diensten im Kreisgebiet zu einer Auftaktveranstaltung und zu Workshops in den beiden Folgejahren ein. Daraufhin etablierte sich eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Irmhild Neidhardt und Pflegewissenschaftlerin Carina Hilfenhaus. Gemeinsam mit Susanne Bachmann, Einrichtungsleitung und Pflegedienstleitung Haus Ysenburg, Gelnhausen, Sandra Frenz-Poole, Einrichtungsleitung Doreafamilie Steinau, Monika Holtschneider, Einrichtungsleitung Haus St. Elisabeth, Martin Luther-Stiftung Hanau,  Cordula Delp, Sozialdienstleitung Wohnstift Hanau der Alten- und Pflegezentren Main-Kinzig-Kreis, Ramune Navickyte, Sozialdienstleitung AWO Sozialzentrum Bruchköbel, Elke Paprocki, Leitung Tageszentrum Burg Wonnecken, Lebenswert im Alter, Nidderau, Stefan Smolinka,, Einrichtungsleitung Altenpflegeheim St. Martin der Caritas, Bad Orb, und René Leipold, Geschäftsführer Diakoniestation im Bergwinkel gGmbH, Schlüchtern und Steinau, wurden Leitlinien entwickelt.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe beschäftigten sich unter anderem mit den unterschiedlichen Formen der Gewalt, die in der Fachliteratur und Gewaltschutzkonzepten zu finden sind. Ausgiebig wurde diskutiert, wie das Tabu der Gewalt in der Pflege gebrochen werden kann. Den Beteiligten war wichtig, keinen weiterer Expertenstandard zu schaffen, sondern wegweisende Formulierungen zu erarbeiten, die dazu ermuntern sollen, sich niedrigschwellig an das Thema heranzuwagen. Zudem beschäftigte sich die Arbeitsgruppe mit der Frage, wie der Pflegealltag für alle Beteiligten verbessert werden kann. Die Leitlinien sind in Form von vier Hashtags mit den Titeln „Pflege: fair & tolerant“, „Miteinander leben, miteinander pflegen“, „Wir pflegen mit Achtsamkeit“ und „Hochachtung, Bewunderung, Anerkennung“ in der Broschüre enthalten. „Wir haben ein ‚Büchlein für die Kitteltasche‘ gemacht, der ohne erhobenen Zeigefinger auskommt. Es ist ein kleiner, dinghafter Denkanstoß, um sich auch im Alltag auf den hohen Wert von Pflege ohne Gewalt zu besinnen“, so Irmhild Neidhardt.

Abschließend wies die Erste Kreisbeigeordnete darauf hin, dass in der Veröffentlichung die Nummer eines Krisentelefons enthalten sei: „Dort finden Betroffene oder Ratsuchende, Menschen, die Zeugen von Gewalt wurden und nicht wissen, an wen sie sich wenden können, anonym Hilfe und Rat.“

Die Broschüre #Pflege ohne Gewalt sowie entsprechende Plakate werden in den kommenden Tagen an alle Senioren- und Pflegeheime, Tagespflegeeinrichtungen, Seniorenberaterinnen und Seniorenberater sowie an die Kommunen im Kreisgebiet verschickt. Interessierte können das Büchlein in der Abteilung Leben im Alter anfordern: leben-im-alter@mkk.de oder Telefon: 06051 8548114.

Bildunterschrift: Erste Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin Susanne Simmler (Zweite von rechts) stellte gemeinsam mit Irmhild Neidhardt (Dritte von rechts), Leiterin der Abteilung Leben im Alter in der Kreisverwaltung, und Pflegewissenschaftlerin Carina Hilfenhaus (rechts) sowie René Leipold, Elke Paprocki, Sandra Frenz-Poole, Regina Gaul-Sbeitan, Susanne Bachmann und Monika Holtschneider (von links), die Broschüre „#Pflege ohne Gewalt“ vor.

Quelle: Frank Walzer

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