„Sie hat in unserer Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen: Eine große kleine Frau ist von uns gegangen“
„Ilse Werder zeichnete sich aus durch ihr immenses und breit gefächertes berufliches wie ehrenamtliches Engagement für unsere Gesellschaft insgesamt und für Hanau im Besonderen“, betonen Kaminsky und Funck. Politisch und kulturell habe sich die Journalistin der Frankfurter Rundschau über viele Jahrzehnte als treibende Kraft gezeigt und viel bewegt. Auch mit der Aufarbeitung der Historie – mit dem besonderen Blick auf die Rolle und Rechte der Frauen – habe sie großartige Arbeit geleistet. Zudem sei Werder in der Region über Jahre das herausragende Gesicht der Frauenbewegung gewesen und habe unter anderem den Verein „Frauen helfen Frauen“, das Frauenhaus und die Beratungsstelle „Pro Familia“ mitbegründet.
Ilse Werder, Mutter von vier Kindern, war Trägerin des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, des Landesehrenbriefs, des Kulturpreises und Ehrenbriefs des Main-Kinzig-Kreises und der August-Gaul-Plakette der Stadt Hanau. 2019 überreichte ihr die SPD – „ihre Partei“ die Willy-Brandt-Medaille für ihr langjähriges Engagement. „In ihr vereinten sich ein nie nachlassendes Engagement und ein kritischer Geist“, heißt es in einer Würdigung des Archivs Frauenleben im Main-Kinzig-Kreis, das Werder 1990 mitbegründete und dessen Ehrenvorsitzende sie seit 2006 war.
Die versierte Autorin veröffentlichte zahlreiche Bücher, unter anderem eine Ortschronik des Hanauer Stadtteils Wolfgang. Nicht nur dieses Buch, in dem sie den Arbeiterinnen der Pulverfabrik quasi ein Denkmal setzte, widmete Werder vor allem Frauen im Arbeitsleben. Die weibliche Perspektive der Geschichte prägt auch ihr Buch über Tabakarbeiterinnen im Main-Kinzig-Kreis sowie die Werke „Frauen in den Gewerkschaften 1945-1997 am Beispiel Hessen und im Main-Kinzig-Kreis“ und „Hanau weiblich: Ein Lesebuch“.
Zudem gehen die Wurzeln des Hanauer Kulturvereins und der Verbraucherberatung auf Werder zurück. Ihre mehr als 70 Jahre währende Mitgliedschaft in der SPD mit einbezogen, kommen Kaminsky und Funck zu dem Schluss: „Ilse Werder hat unserer Demokratie wertvolle Impulse gegeben. Es sind Menschen wie sie, die unsere Gesellschaft prägen und voranbringen. Ihr Tod ist ein großer Verlust für uns alle. Wir werden ihr Andenken in Ehren halten. Wir werden die große kleine Frau nie vergessen.“
Werder wurde am 21. Oktober 1925 in Kassel geboren. Ihre Kindheit und Jugend in Kassel waren geprägt durch die Nazizeit. Ihr Bruder fiel im Krieg. Als junge Trümmerfrau fragte sie ab 1945 nach den Ursachen des Faschismus und trat 1951 in die SPD ein und arbeitet viele Jahre in der AsF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen) mit, zeitweilig als Vorsitzende. In Kassel startete auch ihre journalistische Laufbahn, die sie später bei der „Frankfurter Rundschau“ (FR) fortsetzte. Deren Hanauer Lokalredaktion gründete sie 1967 und prägte die FR-Regionalausgabe Main-Kinzig 20 Jahre lang, bis sie 1986 – mit 61 Jahren – in Rente ging.
1987 zog Werder von Hanau nach Bad Soden-Salmünster um und eröffnete 1991 auf einem mehr als 300 Jahre alten Bauernhof im Ortsteil Katholisch-Willenroth „Werders Kulturscheune“. In Bad Soden-Salmünster gründete sie zusammen mit anderen Frauen das Seniorennetzwerk „Gemeinsam – statt einsam“ und unterhält dort einige Jahre einen Literaturarbeitskreis. An der Ausstellung „Das Private ist politisch“, die Frauenbewegung nach 1968 in Hanau Stadt und Land, arbeitete Ilse Werder mit und verantwortete einen großen Teil der Begleitbroschüre.
1989 präsentiert sie die Ausstellung „100 Jahre Frauenleben rund um das Kinzigtal“ mit einem Begleitbuch über die Zeit von 1888 bis 1988. Zudem gründet sie das Archiv „Frauenleben im Main-Kinzig-Kreis“, dessen Erstbestand auf 30000 Einzeltiteln basiert, die Ilse Werder in den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen hatte. 2006 kehrte Werder nach Hanau zurück, wo sie seither wieder lebte und wirkte.
Quelle: Ute Wolf