FDP-Delegation bei Unternehmerin in Schlüchtern
Die diesjährige „Sommerüberraschung” aus Kassel hat eine Debatte ausgelöst, die auch als Aufarbeitung der Corona-Zeit verstanden werden kann. Die FDP-Main-Kinzig war auf Spurensuche in Schlüchtern.
Plötzliche Rückforderungen von Corona-Soforthilfen durch das Land Hessen haben auch Unternehmerinnen und Unternehmer im Main-Kinzig-Kreis hart getroffen. Enge Fristsetzungen und teilweise sehr hohe Rückforderungsbeträge ließen den Betroffenen wenig Zeit für individuelle Rückfragen oder um Gehör bei der regionalen Politik zu finden.
Zuhören, wo bisher die Zeit fehlte
Eine Delegation der FDP Main-Kinzig hat nun genau hingehört und zwar bei Roxana Üngör Adrioni, die seit über 16 Jahren einen Friseursalon in Schlüchtern betreibt. Jo Härter vom FDP-Ortsverband Schlüchtern, Daniel Protzmann, Kreisvorsitzender der FDP Main-Kinzig und Prof. Joachim Fetzer, Fraktionsvorsitzender der FDP im Kreistag ließen sich schildern, was diese Sommerüberraschung für Roxana und viele weitere Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis bedeutet: Ungeplante finanzielle Einbußen, die existenzgefährdend sein können, treffen die regionale Unternehmerschaft bürokratisch und plötzlich.
Der Helfer als Verursacher?
Mit großem Unbehagen erinnert sich die Unternehmerin an die Pandemie: „Es war sehr schwer für mich, plötzlich keine Kunden mehr bedienen zu können”, sagt die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die mit 17 Jahren aus Rumänien nach Deutschland gekommen war. Direkt nach dem Erwerb ihres Meisterbriefs im Jahr 2008 wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit. „Die Soforthilfe war für mich eine wichtige Unterstützung in dieser schwierigen Zeit. Dennoch finde ich die Rückzahlungsforderungen ungerecht, da wir in einer außergewöhnlichen Situation waren, die wir nicht beeinflussen konnten. ”
Joachim Fetzer unterstreicht: „Es wird immer so getan, als seien die Soforthilfen nur eine großzügige Hilfe des Staates gewesen. Man sollte aber nicht übersehen, dass der Staat selbst die Unternehmen durch Schließungen unter Androhung von Strafe in ihrer Entscheidungsfreiheit beschnitten hat. Helfer und Verursacher liegen hier nahe beieinander. Das sollte ein zentrales Element der Aufarbeitung der Pandemie sein. Die Hilfe kann auch als Entschädigung für staatliche Auflagen gesehen werden.”
Berechnungen ohne Personalkosten?
Roxana betont, dass sie damals die ausdrückliche Auskunft erhalten hatte, die Soforthilfe müsse nicht zurückgezahlt werden. Umso überraschter war sie über das Schreiben des Regierungspräsidiums, das genau das fordert. Ein weiterer Punkt ist, dass ihre Personalkosten, die fast 50 Prozent der Umsätze ausmachten, in der Kostenaufstellung des Landes nicht berücksichtigt wurden. Ein großer Teil ihrer Kosten, der sich mildernd auf den Rückerstattungsbetrag ausgewirkt hätte, fehlt also.
Jo Härter konstatiert: „Der Zeitpunkt, zu dem diese Rückforderung angegangen wurde, hätte schlechter nicht sein können: Mehrere Jahre nach Ende der Pandemie, ohne Vorwarnungen, mitten im Sommer und während der Urlaubszeit. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer wurden davon überrascht und waren gezwungen innerhalb kürzester Zeit zu reagieren. Das ist kein gutes Aushängeschild für dem Umgang der Landesregierung mit hessischen Unternehmen.”
Bilanz: Ein Desaster aus der Verwaltung
Daniel Protzmann zieht eine politische Bilanz: „Es kann nicht sein, dass Unternehmer, die sich damals rechtzeitig gemeldet oder fristgerecht reagiert haben, jetzt in eine bürokratische Falle tappen. Und wenn Personalkosten nicht als laufender Aufwand anerkannt werden, dann kann man das Unverständnis verstehen.”
Gemäß eines FAZ-Artikels vom 26.08.2025 hat Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) inzwischen eine „Härtefallregelung” angekündigt, die u. a. Fristverlängerungen und Stundungen sowie Ratenzahlungen ermöglichen soll. Dennoch werden viele Unternehmerinnen und Unternehmen, wie auch Roxana Adrioni, Rechtsmittel gegen die Rückforderungen einlegen.
Zum Hintergrund
Seit Juli führt Hessen ein digitales Rückmeldeverfahren durch, bei dem rückwirkende Soforthilfen aus dem Frühjahr 2020 auf Überkompensation geprüft werden. Betriebe, bei denen ein damals prognostizierter Liquiditätsengpass nicht in dem befürchteten Maß eingetreten ist, müssen erhaltene Corona-Soforthilfen nun ganz oder teilweise zurückzahlen. Betroffen sind zahlreiche Branchen wie Dienstleistungen, Gastronomie, Handel und Gesundheitswesen. Die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag hatte darauf bereits am 20.08.2025 in Form eines dringlichen Berichtantrags hingewiesen; es geht um 1.716 Rückforderungsbescheide mit einem Gesamtvolumen von 9,92 Millionen Euro.
Inzwischen hat Wirtschaftsminister Mansoori (SPD) für das Verfahren um Entschuldigung gebeten. Der CDU-Abgeordnete Kasseckert hat die Rückzahlungsforderungen im Grundsatz verteidigt.
Quelle: Redaktion MKK Echo