Nidderau. Mit einem Eklat, nämlich dem Verlassen der CDU-Fraktion des Sitzungssaals unter Protest endete vorzeitig die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend in der Mehrzweckhalle in Erbstadt. Schon zu Beginn der Sitzung hatte die CDU-Fraktion klar gemacht, dass sie an der Sitzung nur unter Vorbehalt und Protest teilnehme, da ihrer Meinung der an diesem Abend vorliegende und den Stadtverordneten erst zwei Tage zuvor zugegangenen
Haushaltsentwurf 2025/26 „sich massiv von dem ursprünglichen Haushaltsentwurf vom Februar diesen Jahres unterscheide. „Wir hatten gehofft, dass SPD und die Grünen für unsere Einwände Verständnis zeigen würden“, argumentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Warlich anschließend. Doch davon konnte keine Rede sein. Sowohl SPD-Fraktionschef Vinzenz Bailey wie auch Grünen-Fraktionssprecher Tim Koczkowiak gingen in ihren Haushaltsreden gar nicht auf die von der CDU vorgetragenen Vorbehalte ein, sondern machten Bund und Land für die verspätete Vorlage des Haushaltsentwurfs verantwortlich. Vor allem der Krieg in der Ukraine und der von den Amerikanern begonnene Handelskrieg habe großen Einfluss auch auf die finanziellen Gegebenheiten der Kommunen gehabt. „Deshalb ist es eine große Leistung, was unsere Stadt in der jüngsten Vergangenheit trotzdem noch geleistet hat“, verkündete Bailey und zählte als Beispiele die Umgestaltung des Marktplatzes in Windecken, die Schaffung der Kunstrasenplätze in den Ortsteilen oder die Errichtung der neuen Kita in Heldenbergen. Wichtig sei und das galt als Ratschlag für die CDU, dass alle Projekte von Beginn an auf einer soliden finanziellen Basis stünden,wie dies auch in diesem Jahr bei den neu eingebrachten 24 Anträgen von Rot/Grün der Fall sei. Auch Koczkowiak ging nicht auf die Vorbehalte der CDU ein, sondern erteilte den Kollegen von der Opposition den klugen Rat, mit ihren Anträgen doch vorher das Gespräch mit Rot/Grün suchen zu sollen. „Dann könne viel schon vorab einvernehmlich geregelt werden“, so der Grünen-Politiker.
CDU-Fraktionschef Warlich hingegen hatte hingegen daraufhin gewiesen, dass der zunächst im Februar vorgelegte Haushaltsentwurf 2025/26 voller Fehler und Nachlässigkeiten gesteckt habe. So fehlten die Vorberichte und die Jahresabschlüsse für 2022 und 2023 und deshalb basiere der Entwurf auf Zahlen aus dem Jahr 2021. „Man kann diesen Zustand nicht mehr beschönigen oder entschuldigen. Das ist keine Nachlässigkeit. Das ist Schlamperei auf höchstem Niveau“, so Warlich. Und trotz massiver Erhöhung der Grundsteuer verzeichne die Stadt ein Defizit von sieben Millionen Euro in 2025 und sieben Millionen Euro in 2026. Noch schlimmer stehe es bei den Krediten. Die sollen von heute 13 Millionen auf über 50 Millionen Euro in nur vier Jahren ansteigen. „Das ist kein schleichender Prozess – das ist ein finanzielles Desaster“, griff Warlich Rot/Grün an. Nach seiner Ansicht seien allein sie verantwortlich für die Schieflage der Stadt und es sei nahezu grotesk, die CDU für diese Politik mit ins Boot holen beziehungsweise verantwortlich machen.zu wollen. „Hier geht es nicht nur um Zahlen, sondern um Glaubwürdigkeit und um das Vertrauen, dass die Bürger in uns haben“, so Warlich und dann kam er zu dem eigentlichen Punkt des Abends: Ist der Haushalt bei all den Mängeln überhaupt genehmigungsfähig? Dabei spielt weniger die Tatsache, dass der Haushaltsentwurf 2025/26 sechs Monate zu spät verabschiedet wird, als dies in der Hessischen Gemeindeordnung (…. im letzten Kalendermonat für das darauffolgende Jahr) vorgeschrieben ist, sondern vielmehr das Fehlen des Vorberichtes über Rückstellungen und Kreditentwicklungen sowie der Jahresabschlüsse 2022 bis 2023, die nach dem Gesetz (§ 1 Abs. 5.8 Gem.HVO) zwingend vorgeschrieben sind, die entscheidende Rolle. Wie soll über einen Haushalt entschieden werden, wenn die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre nicht mitgeteilt werden, wenn also keine Klarheit über das finanzielle Grundgerüst herrscht? Die Kommunalaufsicht hat mit Schreiben vom 15.05.25 geantwortet, dass „ohne die Vorlage prüffähiger Jahresabschlüsse 2022, 2023 und eventuell 2024 mit entsprechender Bestätigung des Rechnungsprüfungsamtes es keine Genehmigung des Doppelhaushaltes 2025/26 geben kann“.
Da der Bitte der CDU, für die Beratung des neuen Haushaltsentwurfes mehr Zeit einräumen zu wollen, nicht stattgegeben wurde und auch nicht auf den Protest eingegangen wurde, verließ die CDU Fraktion nach knapp einer Stunde die Sitzung. Nach längerer Beratung und anschließendem Antrag der FDP auf Feststellung der Beschlussfähigkeit, musste der Stadtverordnetenvorsteher Jan Jakobi (SPD) einräumen, dass die Versammlung nun nicht mehr beschlussfähig war. Es fehlte eine Stimme. Die Stadtverordnetenversammlung wird nun voraussichtlich in zwei Wochen wieder zusammen kommen, um dann über den Haushalt 2025/26 beraten zu können.
Jürgen W. Niehoff
2 Fotos anbei
1. Beratungsbedarf in der Stadtverordnetenversammlung nach Verlassen der Sitzung durch die CDU-Fraktion
2. Die CDU -Fraktion hat die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung unter Protest verlassen
Quelle: Jürgen W. Niehoff