Frühjahr 2024, Starkregen im Stadtteil Eichen: Die Wassermassen überfordern die Kanalisation. Wasser strömt in die Keller, und schließlich kapituliert auch der große Kanalsammler der Stadtwerke. Das Betriebspersonal der Stadtwerke Nidderau rückt gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr zum Noteinsatz aus. Es ist ein gefährlicher Einsatz bei Starkregen. Es ist eine vermeidbare Arbeit. Denn was die Männer aus der Kanalisation herausziehen, ist keine Überraschung, sondern ein immer wiederkehrendes Problem: Ein medizinballgroßer Klumpen hat den Kanalsammler verstopft. Hauptbestandteil: Feuchttücher.
„Gerade aus Eichen häufen sich die Meldungen. Dort musste dieses Jahr schon zweimal Großalarm nach Starkregen ausgelöst werden, weil das Kanalnetz so mit Feuchttüchern verstopft gewesen ist, dass nichts mehr abfloss“, berichtet Daniela Wißner, Leiterin des Eigenbetriebs Stadtwerke Nidderau und Geschäftsführerin der Abwasser GmbH Nidderau. Ihr Appell: Feuchttücher gehören ebenso wenig über die Toilette entsorgt wie Windeln, Essensreste, Tampons, Slipeinlagen oder Katzenstreu.
Feuchttücher und ähnliche Hygieneartikel sorgen immer wieder für Probleme in Kanälen und Kläranlagen. Die auch in nassem Zustand reißfesten Tücher werden häufig über die Toilette entsorgt. In den Abwasserrohren verknoten sie sich zu meterlangen Zöpfen und legen im schlimmsten Fall sogar die Pumpwerke lahm, die das Abwasser zur Kläranlage transportieren.
Dass Feuchttücher in den Restmüll gehören, ist vielen Bürgern nicht bewusst. Im Gegensatz zu gewöhnlichem Toilettenpapier bestehen diese Hygieneartikel meist aus Baumwolle, Viskose oder Polyester, die sich im Abwasser nicht auflösen. Auch der Herstellerhinweis „biologisch abbaubar“ auf der Verpackung ist irreführend. Diese Feuchttücher verstopfen Kanalisation und Rechenanlagen der Kläranlage, bilden in den Pumpen dicke Zöpfe, die Betriebsstörungen verursachen und letztlich die Abwassertechnik zum Stillstand bringen.
„Die Reinigung der Kanalisation und der Pumpen, die Wartungsarbeiten, der Austausch oder der Einsatz neuer Pumpen kostet die Stadt Nidderau jedes Jahr viel Geld und verursacht den Mitarbeitern der Kläranlage sehr unangenehme Arbeit“, erklären Nidderaus Bürgermeister Andreas Bär und Erster Stadtrat Rainer Vogel. Und diese Kosten für die unsachgemäße Entsorgung müssen letztlich von allen Bürgerinnen und Bürgern über die Abwassergebühren getragen werden.
Die Kosten für Wartungsarbeiten und Reparaturen am Kanalnetz der Stadt müssen alle gemeinsam tragen. Hausbesitzer trifft es direkt: Über die Toilette entsorgte Hygieneprodukte, Essensreste, Haare oder Putztücher können auch in der Rückstauklappe hängen bleiben und so den Rückstauschutz blockieren. Für Schäden durch Rückstau haften Haus- und Grundstückseigentümer selbst, weil jeder sich persönlich gegen Rückstau aus der Kanalisation absichern muss. In der kommunalen Entwässerungssatzung wird darauf hingewiesen.
Die Verbraucherzentrale (www.verbraucherzentrale.de) gibt hilfreiche Tipps, wie potenziellen Schäden vorgebeugt werden kann.
Die wichtigsten Tipps:
Grundsätzliche Schutzvorkehrungen
Souterrainwohnungen und Räume unterhalb des Straßenniveaus, die über Toilette oder Einläufe verfügen, sind bei Rückstau besonders gefährdet. Daher ist es sinnvoll, bereits bei der Bauplanung abzuwägen, auf welche Abflüsse verzichtet werden kann. Ungenutzte Abläufe in Bestandsgebäuden sollten verschlossen werden. Bei genutzten Wohnräumen unterhalb des Straßenniveaus kann nur eine Hebeanlage das Gebäude angemessen schützen. Rückstauklappen schützen lediglich vor dem Eindringen von Wasser aus dem öffentlichen Kanal, sorgen hingegen nicht für einen Abfluss des Wassers. Während längerer Abwesenheit sollten sämtliche Rückstauklappen verriegelt und alle Fenster im Keller fest verschlossen werden.
Blockierte Rückstauklappen
Die Entsorgung von Abfällen über die Toilette kann dazu führen, dass Fremdkörper in der Rückstauklappe hängen bleiben und so den Rückstauschutz blockieren. Hygieneartikel, Feuchttücher und andere feste Stoffe gehören daher auf keinen Fall in die Toilette, sondern in den Hausmüll.
Fachmännischer Einbau
Um eine Immobilie rückstausicher zu machen, ist mit dem Sanitärfachbetrieb zu klären, wo die Rückstausicherung angebracht werden muss. Bei der Planung eines Neubaus sollte der Rückstauschutz vom Architekturbüro mitbedacht werden. Individuelle Beratung, Planung und Betreuung der Baumaßnahmen übernehmen kostenpflichtig Ingenieurbüros für Wasserwirtschaft oder Sanitärfachbetriebe, die Anlagen zur Rückstausicherung installieren.
Regelmäßige Wartung
Hebeanlagen und Rückstauverschlüsse müssen regelmäßig geprüft und gewartet werden, sonst riskieren Eigentümer bei Schäden ihren Versicherungsschutz. Viele Fachbetriebe bieten auch Wartungsverträge an.
Richtige Versicherung
Kommunen haften nicht für Rückstauschäden an privaten Häusern. Diese sind auch nicht in der privaten Hausrat- und Wohngebäudeversicherung automatisch mit abgedeckt. Das Rückstaurisiko muss explizit innerhalb einer Elementarschadenversicherung abgesichert werden. Im Schadensfall können Versicherer einen Nachweis über die regelmäßige Wartung von Rückstausicherungen verlangen. Achtung: Nicht jeder Rückstau ist mitversichert, hierbei kommt es auf das Kleingedruckte an.
Weitere Informationen zum Schutz vor Starkregenereignissen finden Sie auf der Homepage der Stadt Nidderau unter diesem Link: https://meinungsbild.nidderau.de/de-DE/projects/klimaanpassung
Bildbeschreibung (Bild 1 und Bild 2):
„Zopf“ aus verklumpten Feuchttüchern – Kläranlage Windecken
Quelle: Redaktion MKK Echo