Nidderau. Wer trägt die Verantwortung für das Durcheinander bei den städtischen Finanzen? Die globalen Wirrungen oder der Bund oder das Land? Oder möglicherweise die Stadt selber? Die Fronten in der Sitzung der Nidderauer Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend in der Willi-Salzmann-Halle vor gut drei Dutzend Zuhörer schien auf den ersten Blick jedenfalls eindeutig zu sein. Für das regierende rot/grüne Bündnis und das Rathaus lag die Schuld eindeutig bei dem Rest der Welt und nicht in den eigenen Reihen. Anders die oppositionelle CDU. Sie schoben die Schuld für das Durcheinander bei den städtischen Finanzen jedenfalls dem Kämmerer Rainer Vogel (Grüne), dem Bürgermeister Andreas Bär (SPD) und der sie stützenden Koalition aus SPD und den Grünen zu. „Wir befinden uns seit Jahresbeginn in der vorläufigen Haushaltsführung, in der nur rechtlich zwingende Ausgaben zulässig sind. Vor diesem Hintergrund wirken die bevorstehenden Haushaltsberatungen fast absurd“, so beispielsweise der finanzpolitische Sprecher der CDU, Klaus Knapp. Kurze Zeit später bei der Beratung über die Haushaltssatzung für die Jahre 2025/26 setzte er sogar noch einen Punkt drauf: „ Wie sollen wir seriös über den Haushalt 2025 und 2026 beraten, wenn uns die Gründe für diese dramatische Entwicklung vollständig verschwiegen werden?“ Er forderte vom Bürgermeister und dem Kämmerer vollständige Transparenz, denn Schweigen sei in dieser Lage keine Option mehr. Auslöser für den harschen Ton in der Stadtverordnetenversammlung war die erst vor wenigen Tagen erfolgte Zurückweisung der Haushaltsvorlage 2025/26 durch die Kommunalaufsicht wegen des viel zu hohen Investitionshaushaltes. Während der Kämmerer die in seinem Haushaltsentwurf dargelegte Schieflage auf die sehr langen Bearbeitungszeiten bei den Förderstellen und Genehmigungsbehörden schob und deshalb kein tatsächliches Ungleichgewicht feststellen wollte, war es für die Opposition klar: das eigentliche Kernproblem liegt im laufenden Haushalt und nicht bei den Investitionen
Nach der aktuellen Haushaltsplanung nimmt Nidderau aus Steuern, Gebühren und Zuweisungen nämlich rund 3,3 Millionen Euro weniger ein, als für Personal, Pflichtaufgaben, Energie, Instandhaltung und Betriebsabläufe benötigt wird. „Es handelt sich also nicht um ein kurzfristiges Loch, sondern um ein strukturelles Defizit, das jedes Jahr wächst und sich kumuliert“, so Knapp. Die Finanzkrise Nidderaus sei also kein Betriebsunfall und keine Folge eines zu großen Investitionsprogramms, sondern das Ergebnis eines Verwaltungshaushalts, der Jahr für Jahr mehr ausgibt als er einnimmt. Abstimmungen zu all den Punkten waren nicht erforderlich, da sie nur zur Kenntnis gebracht wurden. Abgestimmt wurde dann erst wieder über den Jahresabschluss 2015. Es sei ein Armutszeugnis, dass die Kommunalaufsicht so lange Zeit für diesen Abschluss gebraucht habe, ärgerten sich CDU-Sprecher über die viel zu lange Zeitspanne. Auch zu dem Schlussbericht zur technischen Prüfung des Projektes „Neue Stadtmitte“ gab es nur kritische Stimmen. Von handwerklichen Fehlern, beispielsweise bei den Ausschreibungen oder die Höhe der Kredite war da die Rede. Aber da dies alles ebenfalls rund 10 Jahre zurückliegt, wurde der Bericht schließlich ebenfalls zur Kenntnis genommen.
Einen vorläufigen Schlussstrich wollen auch Rot/Grün über die Debatte über die Wiederaufnahme des sogenannten „Sprunggebietes jenseits der B 521“ in Eichen in den neuen regionalen Flächennutzungsplan ziehen. Nach kurzer Debatte ohne neue Argumente wurde der CDU-Antrag auf Aufnahme des Sprunggebietes mehrheitlich abgelehnt, den beiden anderen Vorschläge für alternative Gewerbegebiete an der Friedberger Straße in Heldenbergen (mehrheitlich) und in der Wolfskaute in Ostheim(einstimmig) wurde hingegen zugestimmt.
Ebenfalls einstimmig passierten die Anträge auf Anlage eines Geburtenwaldes und auf Einführung eines Identsystems zur Abfallentsorgung sowie der Antrag zur Aufnahme in das Förderprogramm Dorfentwicklung im Jahr 2026.
Abgelehnt wurden schließlich auch noch die beiden Dringlichkeitsanträge der CDU. Der eine forderte die Einstellung aller noch nicht getätigten beziehungsweise beauftragten Investitionen solange der Haushaltsabschluss für das Jahr 2024 noch nicht vorliegt. Der andere sprach sich für die Antragstellung im Rahmen des Bundesförderprogramms „Sanierung kommunaler Sportstätten“ aus. Dies sei aber schwierig, wie der Bürgermeister begründete, weil vor Antragstellung das Projekt bereits im Haushalt der Kommune enthalten seien muss. Außerdem müsse durch die Maßnahme die Sportstätte eine überregionale Bedeutung erlangen.
Jürgen W. Niehoff
1 Fotos anbei
1. Während der Stadtverordnetenversammlung Bürgermeister Andreas Bär (li.)
Quelle: Jürgen W. Niehoff

