Sehr geehrte Redaktion,
ME/CFS und Long COVID verursachen in Deutschland inzwischen enorme gesellschaftliche Belastungen. Laut dem Forschungsnetzwerk mecfs-research.org beliefen sich die Kosten im Jahr 2024 auf rund 63,1 Milliarden Euro – etwa 1,5 % des BIP. Für 2020–2024 werden über 250 Milliarden Euro geschätzt. Trotz dieser Größenordnung investiert Deutschland weiterhin nur minimale Mittel in die Erforschung dieser Erkrankungen.
Die neue „Nationale Dekade gegen postinfektiöse Erkrankungen“ sieht 500 Millionen Euro über zehn Jahre vor – also 50 Millionen Euro pro Jahr, weniger als 0,8 % der jährlichen Kosten, die ME/CFS und Long COVID verursachen. Von einer echten Forschungsinitiative kann keine Rede sein.
Gleichzeitig zeigt sich seit Jahren ein massiver Versorgungsmangel: kaum spezialisierte Ärzt:innen, teils einjährige Wartezeiten, fehlende Diagnostikpfade, kein nationales Register und keine Biobank. Auch im Medizinstudium spielt ME/CFS praktisch keine Rolle. Viele Betroffene erleben eine vollständige Unterversorgung – oft trotz schwerster Erkrankung.
Diese Situation ist auch historisch bedingt. ME/CFS wurde in Deutschland jahrzehntelang als psychosomatisch fehlklassifiziert, was organische Forschung verhinderte und falsche Therapieempfehlungen begünstigte. Internationale Studien zeigen inzwischen klare immunologische und neuroinflammatorische Mechanismen. Deutschland hinkt deutlich hinter Ländern wie Norwegen, Großbritannien oder den USA her.
Berechnungen zeigen, dass bereits eine Teilverbesserung der Versorgung – etwa 10 % wieder teil-arbeitsfähige Betroffene – Milliarden einsparen würde. Das jährliche Forschungsbudget würde sich damit mehrfach amortisieren.
Um die strukturellen Versäumnisse aufzuholen, braucht es realistisch 200–300 Millionen Euro pro Jahr, nicht 50 Millionen. Es ist Zeit, dass Deutschland ME/CFS als das anerkennt, was es längst ist: eine gesundheitspolitische Herausforderung mit massiven volkswirtschaftlichen Folgen.
Mit freundlichen Grüßen
Anna Lauer
© 2025 Anna Lauer. Veröffentlichung nur mit Namensnennung.
Quelle: Anna Lauer

