Manche Entscheidungen in unserer Stadt hinterlassen bei mir ein mulmiges Gefühl. Zwei aktuelle Themen beschäftigen mich besonders – auf den ersten Blick unabhängig, doch mit einem gemeinsamen Kern: Transparenz und Glaubwürdigkeit.
Zum einen geht es um das sogenannte „Sprunggebiet“ jenseits der B521 in Eichen. Wie sich nun herausgestellt hat, ist dieses Gebiet im neuen Entwurf des Regionalplans Südhessen nicht mehr als Baufläche enthalten – und das offenbar schon Anfang des Jahres 2024 (mkk-echo.de). Obwohl der Planentwurf seitdem öffentlich einsehbar war, wurde die Herausnahme der Fläche erst nach öffentlichem Druck klar kommuniziert. In einer Facebook-Diskussion zwischen Bürgermeister Andreas Bär und einem besorgten Bürger (Herrn Klopsch) wurde schließlich bestätigt, was viele zuvor nur gerüchteweise hörten. Einen vagen Hinweis auf eine Infoveranstaltung mag es gegeben haben, doch das reicht nicht aus, um echte Transparenz zu beweisen.
Viele Bürgerinnen und Bürger blieben lange im Unklaren. Die regierende Koalition – die dieses Mischgebiet offenbar ohnehin nicht entwickeln will – hat bisher wenig unternommen, um die Gründe nachvollziehbar darzulegen. Offiziell heißt es, das Areal sei im Vergleich zu anderen Standorten „weniger geeignet“ . Erster Stadtrat Rainer Vogel spricht davon, dass ein Sprung über die B521 „der falsche Weg“ wäre. Doch warum wurde die Bürgerschaft darüber erst so spät und zögerlich informiert?
Eichen leidet ohnehin unter einer schwachen Infrastruktur (cdu-nidderau.de) – gerade deshalb hätte ein Mischgebiet dort eine Chance zur Weiterentwicklung bieten können. Die kategorische Ablehnung durch die Koalition wirft Fragen auf. Ist Ihnen bewusst, dass sich damit keine Weiterentwicklung für die kleineren Ortsteile (Versorgung ortsnah) für die nächsten zwei Generationen ergibt?
Besonders auffällig: Die größten Befürworter des Repowering-Projekts – genauso wie die vehementesten Gegner des Mischgebiets – kommen fast ausschließlich aus Fraktionen der SPD und Grünen, deren Vertreterinnen und Vertreter nicht aus Eichen oder Erbstadt stammen. Das mag formal legitim sein, aber es wirft die Frage auf, ob hier tatsächlich im Sinne der betroffenen Stadtteile entschieden wird – oder eher entlang parteipolitischer Linien.
Zum anderen wurde bekannt, dass die Stadt Nidderau ihre Klage gegen die ursprünglich geplante Windkraftanlage zwischen Büdesheim und Heldenbergen zurückgezogen hat. Diese Kehrtwende kommt überraschend. Erinnern wir uns: Ursprünglich hatte Nidderau juristisch gegen ein Windrad an der Stadtgrenze vorgehen wollen. Warum jetzt also der Rückzieher? Zeitgleich forciert die Stadt ein neues Windkraft-Repowering in Erbstadt/Eichen. Vier ältere Windräder sollen durch größere Anlagen ersetzt und näher an Eichen heran verlagert werden. Dieses Projekt begrüßt der Magistrat ausdrücklich – es soll Nidderau jährlich rund 78.000 Euro in die Kasse spülen (kinzig.news).
Natürlich sind zusätzliche Einnahmen immer willkommen. Doch der zeitliche Zusammenhang dieser Entscheidungen lässt aufhorchen: Wurde die Klage gegen das eine Windrad fallen gelassen, weil man nun auf das andere Projekt mit Finanzspritze setzt? Offiziell soll die Stadt über das Repowering jährlich etwa 80.000 € erhalten – zum Vergleich: Das entspricht gerade einmal rund 0,16 % des städtischen Haushalts (über 50 Mio. € pro Jahr, op-online.de). Ich frage mich ernsthaft, ob eine so geringe Summe tatsächlich ausschlaggebend für einen Kurswechsel sein kann.
Es geht mir nicht darum, irgendjemanden zu beschuldigen, bevor es wieder heißt: Der ist doch CDU-Mitglied und muss dagegen sein. Aber diese Vorgänge stellen die Glaubwürdigkeit der Entscheidungsträger in Frage. Zunächst vehement gegen ein Windrad opponieren, dann plötzlich eine noch größere Windkraftanlage in Kauf nehmen, solange Geld fließt – das wirkt inkonsequent. Bürgerinnen und Bürger dürfen zu Recht eine nachvollziehbare Begründung erwarten, warum man so entschieden hat.
Dass SPD und Grüne nun in ihrer Pressemitteilung direkt gegen die CDU schießen – und nicht etwa aufklären oder versachlichen – ist leider symptomatisch. Da wird von „wilden Vorwürfen“ und „Panikmache“ gesprochen. Es wird der Eindruck erweckt, als wolle man kritische Stimmen delegitimieren, statt sie ernst zu nehmen. Dabei geht es hier nicht um Parteipolitik, sondern um berechtigte Fragen von Bürgerinnen und Bürgern: Was passiert vor unserer Haustür? Was plant unsere Stadt? Und warum erfährt man es erst spät oder zwischen den Zeilen?
Ja, das Repowering kann ein sinnvolles Projekt sein. Ja, Bürgerbeteiligung ist grundsätzlich gut. Aber wer sich Transparenz auf die Fahne schreibt, muss auch Kritik zulassen – und zwar ohne gleich in den parteipolitischen Modus zu verfallen. Ständig nur mit dem Finger auf die CDU zeigen zu wollen, macht eine Diskussion nicht besser – sondern vergiftet sie. Ich hoffe sehr, dass das vielen Bürgerinnen und Bürgern in Nidderau irgendwann auffällt, wer zum Großteil für die schlechte politische Stimmung in Nidderau sorgt.
Ich bin überzeugt: Unsere Stadt Nidderau verträgt offene Worte und einen frühen Bürgerdialog und Transparenz. Denn eine proaktive und ehrliche Demokratie auf Augenhöhe funktioniert nicht mit Rechtfertigung und Ausflüchten.
Ihr Phil Studebaker