Ausstellung „Der Wilde Westen im Kinderzimmer“ im Museum Gelnhausen spürt einem Mythos nach – Werkstätten und Führungen zum Thema
Weite Prärien, wilde Pferde, tiefe Freundschaften, rechtschaffene Helden, zupackende Frauen, skrupellose Bösewichte, wehrhafte Gesetzeshüter: Western erfüllen die Sehnsucht nach exotischer Ferne und einer besseren Welt, in der die Stereotypen klar definiert sind und die Handlung dem immer gleichen Spannungsbogen folgt. Rund 150 Jahre lang beflügelten Sitting Bull und Buffalo Bill, Winnetou und Old Shatterhand so auch die Fantasie von Kindern und Jugendlichen. Cowboys und Indianer gehörten zur Welt der Kinderzimmer – heute sind sie weitgehend daraus verschwunden. Die Sonderausstellung „Cowboys und Indianer – Der Wilde Western im Kinderzimmer“ spürt dem Mythos Western im Mitmach-Museum in der ehemaligen Augustaschule vom 9. März bis zum 12. Mai nach. Die Vernissage findet am Samstag, 9. März, um 18 Uhr, im Museum statt.
Die Ausstellung mit Exponaten des Hessischen Spielzeug- und Puppenmuseums Hanau folgt dem Werden und Wandel dieser Kinderzimmerhelden. Sie betrachtet Spielzeugfiguren und Rollenspiele, Völkerschauen und Wildwestshows, Kinder- und Jugendbücher, Comics und Heftromane, Westernfilme und Fernsehserien sowie die Wildwest-Kultur in der DDR.
Wenngleich die meisten Medien eine weitgehend fiktive Realität widerspiegeln, bauen sie ihren Mythos letztlich auf einem dunklen Kapitel der US-amerikanischen Geschichte auf: dem Völkermord an der Ur-Bevölkerung Nordamerikas. In den Träumen der Menschen im Nachkriegsdeutschland und in den Kinderzimmern, auf den Spielwiesen der Jugend in Wald und Feld, spielte dies jedoch (noch) keine Rolle. Die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer, der Bau von Eisenbahnlinien, der Goldrausch, Wagentrecks, Indianer, Sheriffs und Revolverhelden beflügelten romantische Träumereien und die klischeehafte Vorstellung von Freiheit und Abenteuer. Wer ritt nicht in seinen Kindheitsträumen als Cowboy oder Indianer über die weiten Prärien? Wer kämpfte nicht in Kindertagen heldenhaft für die Gerechtigkeit, bewaffnet mit einem Spielzeugrevolver und ausgestattet mit Cowboyhut und Fransenweste?
Nach Deutschland kam der Wilde Westen schon Mitte des 19. Jahrhunderts durch die vielen Briefe der Auswanderer, die sich bis in die Gebiete des Westens vorgewagt und dort niedergelassen hatten. Sie hielten den Kontakt zu ihren Familien in der alten Heimat und berichteten ihnen von ihrem neuen Leben. Mit rund fünf Millionen Menschen waren die Deutschen eine der größten Gruppen, die im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert sind.
Großen Einfluss hatte auch Buffalo Bill’s Wild West Show, die gegen Ende des Jahrhunderts in zwei Tourneen durch das Deutsche Reich tourte. Über Nacht entstand ein regelrechter Fankult um Cowboys und Indianer, der jahrzehntelang anhielt. Gleichzeitig trafen die Abenteuergeschichten von Winnetou und seinem Freund Old Shatterhand, die sich Karl May ausgedacht hatte, genau den Geschmack der Zeit.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts eroberte das Kino die Welt. Eines der erfolgreichsten Genres wurde der Western, der in der Mitte des Jahrhunderts seinen Höhepunkt hatte und den Mythos des Wilden Westens in die ganze Welt trug. In Deutschland traten dann die Winnetou-Filme in den sechziger Jahren eine Welle der Begeisterung los, die von den Italo-Western fortgesetzt wurde. Diese Welle riss vor allem die Jugend mit und prägte die Fantasie und Sehnsucht einer ganzen Generation.
Seit den 1970er Jahren hat sich das unrealistische Bild des „Wilden Westens“ gewandelt, in der Kinderwelt klärten Sachbücher über das historische Schicksal der Indianer und ihre aktuelle Lebenssituation auf. In der DDR wurden die Indianer bereits seit den 1960er Jahren in Romanen und Filmen als Verfolgte und Verlierer der nordamerikanischen Geschichte dargestellt.
In den letzten Jahren sind Cowboys und Indianer weitgehend aus den Spielzeuggeschäften verschwunden. 2022 sorgte der Film „Der junge Häuptling Winnetou“ für große Aufregung und erhitzte vor allem in den Sozialen Medien die Gemüter. Der Vorwurf: Der Film bediene rassistische Vorurteile und nutze eine kolonialistische Erzählweise. Ravensburger nahm daraufhin mehrere Kinderbücher aus dem Verkauf, das öffentlich-rechtliche Fernsehen zog in Erwägung, keine Winnetou-Filme mehr zu wiederholen. Die Reaktionen ihrerseits lösten eine neue Diskussionswelle aus.
Die Ausstellung knüpft also an aktuelle Diskurse an und bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Mythos und Realität. Vor allem aber weckt sie in den erwachsenen Ausstellungsgästen Kindheitserinnerungen. „Diese Figuren hatte ich auch“, wird einer der am häufigsten gehörten Sätze im Galerie-Raum des Museums sein. Begegnungen mit Cowboy-Songs von Bill Ramsey und Helden aus der „Bonanza“-Serie wie Hoss und Ben Cartwright sowie Pierre „Winnetou“ Brice und Lex „Old Shatterhand“ Barker sind inklusive.
Neben Elastolin-Figuren aus den 1960er und späteren Jahren, sind auch andere Plastikfiguren, blaue Schlumpf-Cowboys und Indianer-Schlumpfinen zu sehen, Figuren aus der Asterix- und Obelix-Reihe, Figuren von Herstellern aus der ehemaligen DDR, aus Großbritannien und den USA, bewegliche Systemfiguren von Playmobil, weitere große und kleine Figuren unterschiedlicher Hersteller und Dioramen, Forts und mehr. Auch Set-Fotos von bekannten Western-Filmen, Autogramm-Karten, Bücher, Heftromane und mehr werden gezeigt. Die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher werden auch Friedrich Armand Strubberg (1806 – 1889) begegnen. Er war ein deutscher Amerika-Reisender und Schriftsteller, der auch in Gelnhausen lebte und dort verstarb. Er veröffentlichte zahlreiche in Nordamerika spielende Abenteuerromane und Jugenderzählungen.
Kleine und große Besucher können ganz in die Zeit des „Wilden Westens“ eintauchen – bei interessanten Führungen oder Mitmach-Werkstätten Traumfänger und Schmuck basteln, Beutel besticken und vieles mehr. Das komplette Programm gibt es unter www.gelnhausen.de/museum
Öffnungszeiten der Ausstellung:
Di. bis Do. 10.30 bis 16.30 Uhr
Fr., Sa. 10.30 bis 19.00 Uhr
So. 10.30 bis 18.00 Uhr
Eintritt: 7 Euro (ermäßigt 6 Euro) inkl. Museumseintritt; Kinder bis 16 Jahre frei.
Bild: Die Ausstellung „Cowboys und Indianer – Der Wilde Westen im Kinderzimmer“ zeigt unter anderem Aufstellfiguren verschiedener Hersteller.