s war alles angerichtet für ein Handball-Drama auf allerhöchstem Drittliganiveau – und das bekamen die 2.316 Zuschauer, darunter rund 300 lautstarke Fans des TV Gelnhausen angeführt von Bürgermeister Christian Litzinger, in der Volksbank-Arena Hildesheim auch geliefert. In einem hochklassigen, intensiven und leidenschaftlichen Rückspiel musste sich der TV Gelnhausen nach großem Kampf mit 30:34 (14:15) geschlagen geben. Damit verpassten die Barbarossastädter zwar das Finale der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga um gerade einmal ein Tor im Gesamtvergleich (60:61), eroberten aber wieder einmal die Herzen der Fans im Sturm, die ihre Mannschaft noch minutenlang nach Abpfiff feierten, als hätte man gerade die Champions League gewonnen.
Damit geht eine Saison zu Ende, mit der vorher niemand gerechnet hatte. Die junge Gelnhäuser Mannschaft spielte sich über die Monate hinweg in einen Rausch, der sie bis an die Tür zur 2. Bundesliga führte. So etwas hat man in Gelnhausen schon lange nicht mehr erlebt. Diese Mannschaft hat durch ihre leidenschaftlichen Auftritte am Rande des Wahnsinns längst eine neue Handball-Euphorie in der Region ausgelöst, die einen voller Vorfreude auf die kommenden Jahre blicken lässt.
Doch zurück zum Thriller in Hildesheim: Die Partie begann exakt so, wie es sich die Verantwortlichen des TVG erträumt hatten: Konzentriert, mutig, aggressiv – Gelnhausen spielte befreit auf. In der siebten Minute markierte Yannick Mocken bereits das 4:2 für die Rot-Weißen. Auch eine frühe Zeitstrafe gegen Torben Fehl brachte das junge Team von Matthias Geiger nicht aus dem Konzept. Im Gegenteil – mit cleverem Stellungsspiel und leidenschaftlichem Abwehrverhalten hielt der TVG die Eintracht zunächst in Schach.
Ein abgefälschter Wurf von Hildesheims Rückraumspieler Jakub Tonar bedeutete zwar das 4:4, doch Gelnhausen antwortete postwendend und setzte sich in der 16. Minute erneut durch Mocken mit zwei Toren ab (8:6). Die mitgereisten Fans verwandelten die Volksbank-Arena in eine zweite Hölle Süd und sorgten für atemberaubende Heimspielatmosphäre. Doch Hildesheim ließ sich nicht abschütteln.
In der 24. Minute kassierten Fynn Hilb und Jonas Dambach binnen Sekunden zwei Zeitstrafen. Hildesheim witterte die Chance und ging beim Stand von 12:10 selbst zum ersten Mal mit zwei Toren in Führung. Doch der TVG ließ sich wie so oft in dieser Saison nicht abschütteln und antwortete erneut – Leon David markierte mit einem frechen Heber das 12:13 und nur eine Minute später konnte der Kreisläufer einen weiteren Treffer erzielen und das Spiel in der 27. Minute wieder ausgleichen (13:13).
Vor der Halbzeitpause erspielten sich die Hildesheimer erneut eine Zwei-Tore-Führung (15:13), Akos Csaba verkürzte jedoch in der 29. Minute zum 14:15-Halbzeitstand. Somit blieb alles offen für die zweite Hälfte.
Zu Beginn des zweiten Durchgangs blieb das Spiel zunächst weiterhin ausgeglichen. Nach 40 Minuten lag Hildesheim mit 20:19 in Front. Dann schien den Hausherren aber immer mehr zu gelingen, während sich beim TVG Fehler einschlichen und so schien das Spiel ab der 43. Minute endgültig zu kippen: Robin Müller traf zum 24:20 – der erste Vier-Tore-Rückstand für das Geiger-Team.
In der 45. Minute scheiterte Malolepszy vom Siebenmeterpunkt am Aluminium – ein Sinnbild für die Phase. Es wurde hitzig, intensiv, nervenzehrend. Nach einer erneuten Doppelzeitstrafe in der 52. Minute (Fehl und Hilb) erhöhte Matteo Ehlers auf 31:25 und eine Vorentscheidung schien endgültig gefallen. Die Hildesheimer Fans feierten bereits den Einzug ins Finale.
Doch der TVG gab sich einfach nicht auf. Keeper Daniel Drozdz parierte beim Stand von 27:32 einen Siebenmeter von Piet Möller und Jannik Geisler verkürzte im Gegenzug auf 28:32. Hildesheim traf anschließend jedoch zweimal und ging durch Moritz Schade in der 59. Minute mit 34:28 in Führung. Aber erneut hatten Malolepszy und Co. eine Antwort parat. Der TVG holte in den letzten zwei Minuten noch einmal alles aus sich heraus und agierte mit einer offensiven Manndeckung in der Abwehr, was die Hausherren vor sichtbare Probleme stellte. Mocken und Malolepszy verkürzten auf 30:34. Erneut parierte Drodz im Gegenzug einen freien Ball und hielt sein Team im Spiel.
Mit nur noch 30 Sekunden auf der Uhr bekam der TVG somit tatsächlich die allerletzte Chance: Ein Treffer zum 31:34 hätte aufgrund des Hinspielergebnisses (30:27) und der Auswärtstorregel das Weiterkommen bedeutet. Doch der Pass von Malolepszy auf Rechtsaußen zu Simon Belter geriet zu ungenau, trudelte ins Seitenaus – und mit ihm auch der Traum vom Finaleinzug.
Was dann folgte, war ein Sinnbild für Sport in seiner reinsten Form. Die Gelnhäuser Fans, die bereits während des Spiels als rote Wand unermüdlich anfeuerten, feierten ihre enttäuschten Spieler mit stehenden Ovationen. Und auch der Gegner zollte Respekt: „Ich ziehe meinen Hut vor dem jungen Gelnhäuser Team. Sie haben sich gut verkauft und sind eine richtig gute Handballmannschaft“, sagte Eintracht-Trainer Daniel Deutsch. TVG-Kreisläufer Torben Fehl brachte es auf den Punkt: „Hier sollte heute keiner enttäuscht sein. Hier überwiegt der Stolz.“
Cheftrainer Matthias Geiger sagte: „Als allererstes muss ich mal ein riesiges Kompliment und Dankeschön an die Fans ausrichten. Was die heute abgefackelt haben – Wahnsinn. Das hat die Jungs unglaublich unterstützt.“ Zur Leistung seiner Mannschaft sagte er: „Wir haben im Grunde da weitergemacht, wo wir im Hinspiel aufgehört haben. Diese bissigen Zweikämpfe führen müssen. Hildesheim will natürlich mit aller Gewalt aufsteigen. Und das hat man auch gesehen. Die haben sich reingeworfen – aber wir genauso.“
Trotz der Niederlage war Geiger stolz: „Die Jungs haben sich nicht aufgegeben. Haben sich nach jedem Ball geworfen und hatten am Ende sogar noch die Chance“. Mittelmann Silas Altwein betonte: „Man hat kaum gemerkt, dass es ein Auswärtsspiel war. Die Stimmung von unseren Fans war saugut. Es hat richtig Spaß gemacht, vor so einer Kulisse zu spielen. Da kann man nur Danke sagen!“
Kapitän Jonathan Malolepszy richtete den Blick schon wieder nach vorne: „Das war eine mega Saison mit mega Fans. Wir erholen uns jetzt erstmal und greifen nächste Saison neu an.“ Und Bürgermeister Litzinger, der das Team nach Hildesheim begleitet hatte, meinte: „Heute hat leider das Quäntchen Glück gefehlt, aber der TVG hat eine saugeile Saison gespielt.“
Die besten Schützen der Barbarossastädter waren an diesem Kapitän Malolepszy mit sechs Treffern, gefolgt von Altwein und Mocken mit jeweils fünf Toren. Bei den Hausherren trafen Tonar (10 Tore) und Möller (7 Tore) am häufigsten. Durch den Sieg zieht Hildesheim in die Finalrunde der Aufstiegsrunde ein, wo sie in Hin- und Rückspiel auf den HC Oppenweiler/Backnang treffen. Der Sieger steigt in die 2. Bundesliga auf. Der zweite Aufstiegsplatz entscheidet sich zwischen der HSG Krefeld Niederrhein und dem MTV Braunschweig.
Für den TVG endet eine Saison, die in Gelnhausen niemand vergessen wird. Die Vizemeisterschaft der Staffel Süd-West und eine unglaubliche Leistung in der anschließenden Aufstiegsrunde. 120 Minuten lang hat das junge Team einer mit bundesligaerfahrenen Spielern gespickten Mannschaft mit dem doppelten Etat die Stirn geboten. Es waren zwei Spiele auf Augenhöhe, es war ein Handballfest, es war Werbung für den TV Gelnhausen und die gesamte Main-Kinzig-Region.
Quelle: Redaktion MKK Echo