Montag, Juli 28, 2025
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Heilkraft pflanzlicher Arzneimittel: Nachgewiesen wirksame Phytopharmaka gibt es nur in der Apotheke

Viele Patienten greifen gerne zu Medikamenten auf Pflanzenbasis, die als besonders nebenwirkungsarm und natürlich wahrgenommen werden. Man spricht bei pflanzlichen Arzneimitteln von Phytopharmaka. Der Markt ist dabei groß und unübersichtlich und der Laie steht oft vor der Frage, worin sich vermeintlich wirkstoffgleiche Phytopharmaka unterscheiden und wo der Unterschied zu „günstigen“ Präparaten aus dem Reformhaus, der Drogerie oder dem Internet liegt. Dr. Christian Ude, Präsident der Landesapothekerkammer Hessen, betont: „Nachweislich wirksame Phytopharmaka sind Arzneimittel und in der Regel nur in der Apotheke erhältlich.“ Dr. Mario Wurglics, Wissenschaftler und Dozent an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, ergänzt: „Phytopharmazie basiert auf medizinisch-naturwissenschaftlichen Standards. Die Zulassung als Arzneimittel ist an hohe Anforderungen geknüpft.“

Das Extrakt macht die Wirkung

Phytopharmaka sind Vielstoffgemische. Ihre Wirkstoffe werden aus ganzen Pflanzen oder Pflanzenteilen wie Blättern, Blüten und Wurzeln gewonnen. Meist handelt es sich um spezielle Extrakte. Diese Extrakte werden dann in geeignete Arzneiformen wie zum Beispiel Tabletten, Dragees, Säfte oder Tropfen gebracht. Durch den Anreicherungsprozess der Extraktion beinhalten diese Präparate deutlich höhere Wirkstoffmengen als beispielsweise im Einzelhandel erhältliche Johanniskraut-Präparate, die lediglich aus pulverisierten Pflanzenteilen bestehen. Demnach haben Präparate aus dem Einzelhandel, trotz gleicher Stammpflanze, nur wenig mit einem entsprechend angereicherten, wirksamen Extrakt aus der öffentlichen Apotheke zu tun. Wichtig sind dabei außerdem einerseits die Wahl des Lösungsmittels, von dem abhängt, welche Inhaltsstoffe in das Extrakt gelangen, und andererseits das konkrete Produktionsverfahren. Die pflanzlichen Extrakte sind einzigartig und ihre spezifische Wirkung ist nicht auf ähnliche Extrakte oder die ursprüngliche Pflanze übertragbar. Das heißt, dass zwei Phytopharmaka aus derselben Pflanze und in derselben Darreichungsform nicht ohne Weiteres miteinander ausgetauscht werden können. „Generika“ analog zu chemisch synthetischen Wirkstoffen gibt es bei pflanzlichen Arzneimitteln nicht.

Pflanzliche Hilfe bei vielfältigen Beschwerden

Apothekenpflichtige Phytpharmaka dienen der Vorbeugung, Linderung sowie Heilung zahlreicher Krankheiten oder anderer Beschwerden. So findet ein bestimmtes Trockenextrakt der Baldrianwurzel für die Linderung leichter nervöser Anspannung und bei Schlafstörungen Anwendung. Ingwerwurzelstock-Pulver ist in entsprechender Zubereitung für die Indikation „Prävention der Reisekrankheit“ verfügbar. Ein Flohsamenschalen-Präparat ist nachweislich zur „Unterstützung bei Reizdarmsyndrom vom obstipativen Typ“, also wenn das häufigste Symptom Verstopfung ist, wirksam. Ebenso sind spezielle Pfefferminzöl-Weichkapseln zur symptomatischen Linderung von leichten Krämpfen des Magen-Darm-Trakts, Blähungen und Bauchschmerzen, insbesondere bei Patienten mit Reizdarmsyndrom, zugelassen. Das Team in der Apotheke vor Ort gibt das konkrete pflanzliche Präparat ab und informiert über die richtige Anwendung sowie mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen.

Was heißt nachgewiesen wirksam?

Damit ein Phytopharmakon in Deutschland zugelassen wird, muss es nachweislich wirksam, unbedenklich und von entsprechender pharmazeutischer Qualität sein. Der Nachweis kann über eigene präklinische und klinische Studien oder auf Grundlage einer Kategorisierung der Europäischen Arzneimittelagentur als bewährte Anwendung („well-established use“) erfolgen. Hierfür muss das Extrakt über zehn Jahre innerhalb der EU eingesetzt und seine Wirksamkeit sowie Sicherheit in öffentlich zugänglichen kontrollierten klinischen Studien belegt worden sein. Zugelassene Phytopharmaka sind apothekenpflichtig. Es ist allerdings auch möglich, ein Phytopharmakon als traditionelles pflanzliches Arzneimittel registrieren zu lassen. In diesem Fall ist eine mindestens 30-jährige Verwendung, davon mindestens 15 Jahre in der EU, Voraussetzung. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wird aus der traditionellen Anwendung („traditional use“) abgeleitet. Phytopharmaka, die lediglich registriert sind, dürfen nicht zur Behandlung von Krankheiten ausgewiesen werden. Sie sind in der Regel frei verkäuflich und von Gesetzes wegen für die Linderung von Beschwerden zu niedrig dosiert.

Unterschied zur Homöopathie

Pflanzliche Bestandteile und Zubereitungen werden nicht nur für Phytopharmaka verwendet, sondern zum Beispiel ebenso im Rahmen alternativer Heilmethoden wie der Homöopathie. Während die Phytopharmazie auf medizinisch-naturwissenschaftlichen Grundsätzen basiert, beruht die Homöopathie jedoch auf dem Ähnlichkeitsprinzip Samuel Hahnemanns. Die eingesetzten Stoffe und Gemische werden verdünnt, „verschüttelt“ und auf Unbedenklichkeit überprüft. Diese Präparate müssen auch nicht zugelassen werden, sondern unterliegen nur einer Registrierungspflicht. Auch Nahrungsergänzungsmittel können pflanzlich sein. Sie haben aber einen vollkommen anderen Zweck als Medikamente und unterliegen dem Lebensmittelgesetz. Sie müssen weder umfangreiche Zulassungsverfahren durchlaufen noch in Studien geprüft werden.

Der Landesapothekerkammer Hessen gehören rund 6.900 Apothekerinnen und Apotheker an. Der Heilberuf des Apothekers unterliegt einem gesetzlichen Auftrag. Zu den Aufgaben der Landesapothekerkammer gehören die Förderung der Fort- und Weiterbildung und die Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten durch ihre Mitglieder.

Bild: Dr. Christian Ude, Präsident der Landesapothekerkammer Hessen. © Foto: privat

 

Quelle: Redaktion MKK Echo

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