Nachhaltige, zirkuläre Produktion im Fokus.
Die Zukunft des Industriestandortes Hanau liegt in der Transformation hin zu nachhaltiger, zirkulärer Produktion. Dies ist ein komplexer Prozess, der nur gemeinsam gelingen kann und entscheidend ist für die Zukunftsfähigkeit des Produktionsstandortes. Die „Perspektiven für den Wirtschaftsstandort“, unter dem Titel „Hanau neu gedacht II“, zeigen auf, wie diese Transformation gelingen kann.
Das Positions- und Perspektivpapier ist das Ergebnis eines Diskussionsprozesses zwischen ortsansässigen Unternehmen und der Stadt Hanau, der bereits seit einigen Jahren geführt wird. Im Nachgang zum Debattenwochenende „Zukunft Hanau“ und unter dem Eindruck der massiven Veränderungen durch die Corona-Epidemie hatten Oberbürgermeister Claus Kaminsky und die Geschäftsführerin der städtischen Wirtschaftsförderung, Erika Schulte, 2020 eine Umfrage in Auftrag gegeben, in der Hanauer Firmen nach ihren Zukunftsperspektiven befragt wurden. Daraus hat sich eine Diskussion entwickelt, in der Unternehmen und Stadt gemeinsam Ziele und Rahmenbedingungen für den künftigen Industriestandort Hanau erarbeitet haben, wie die Koordinatorin des Projektes, Doris Krüger-Röth, berichtet. Das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses ist eindeutig: Zirkuläre Prozesse sind nachhaltig und bieten große Potenziale für viele Hanauer Unternehmen.
Abgestimmte wirtschaftspolitische Strategie
In den vergangenen Monaten wurde viel über die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland gesprochen und die Diagnosen sind je nach Absender und Adressat vielgestaltig. Die Herausforderungen, vor denen speziell Deutschland steht, sind komplex und vielfältig: internationale Konflikte, Lieferengpässe, weltpolitische Verwerfungen, steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie zunehmende Bürokratie auf nationaler und internationaler Ebene.
„Kommunalpolitik kann – dessen sind wir uns sehr bewusst – wenig Einfluss auf die Ursachen dieser Herausforderungen nehmen. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir durch vorausschauendes Handeln und eine abgestimmte wirtschaftspolitische Strategie die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Entwicklung unseres Wirtschaftsstandortes schaffen können,“ ist Oberbürgermeister Kaminsky überzeugt.
Mit dem Ziel, den Standort exportunabhängiger zu machen, wurde im November 2021 eine Rechenzentrumsstrategie entwickelt und demokratisch legitimiert. So hat Hanau die Ansiedlung von Rechenzentren aktiv zum Wohle des Gesamtstandortes gestaltet.
„Hanau ist ein starker Wirtschaftsstandort mit einem besonderen industriellen Profil, der Materialtechnik. Die Unternehmen in diesem Sektor sind sehr innovativ und exportstark. Wir wollen, dass unsere Materialtechnikunternehmen auch langfristig erfolgreich in Hanau forschen, entwickeln und produzieren. Daher haben wir uns auf den Weg gemacht, dieses Bekenntnis zum Industriestandort ebenfalls durch einen demokratischen Beschluss zu bekräftigen und mit konkreten Projekten und dem Willen zur Zusammenarbeit zu untermauern,“ erläutert der Oberbürgermeister die Motivation für das nun vom Magistrat beschlossene Strategiepapier.
Beste Voraussetzung in Hanau durch Materialtechnik
Dabei spielt dem Wirtschaftsstandort Hanau in die Karten, dass die Produkte und Dienstleistungen der Hanauer Materialtechnikunternehmen eine entscheidende Rolle bei der weltweiten Defossilisierung spielen. Gleichzeitig bauen die Unternehmen ihre Produktion nachhaltig und zirkulär um. Ressourcen werden geschont, indem Materialien wiederverwendet, repariert und recycelt werden, was den Abfall erheblich reduziert. Auf diese Weise entsteht ein nachhaltiger Kreislauf, also Zirkularität. Zudem passen die Unternehmen ihre Produktionsprozesse an und senken den Energie- und Materialverbrauch, gestalten sie damit nachhaltiger. Alles mit dem Ziel, eine langfristig positive Entwicklung ihrer Unternehmen sicherzustellen. „Diese beiden Säulen – Nachhaltigkeit und Innovation in Richtung Zirkularität – möchten wir gemeinsam stärken und voranbringen.“
Dabei sei ein integriertes, abgestimmtes Vorgehen von entscheidender Bedeutung und am Standort Hanau gelebte Praxis. Denn zum einen könne man komplexen Herausforderungen nur gemeinsam begegnen. Zum anderen ist es in Hanau geübte Tradition, mit allen Akteuren des Wirtschaftsstandortes gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Das bestätigt Kerstin Oberhaus, Evonik-Standortleiterin des Industrieparks Wolfgang, und erweitert diesen kooperativen Ansatz auf ihr Unternehmen: „Einen industriellen Produktionsstandort nachhaltig und zirkulär aufzustellen ist eine große Herausforderung, die nur in Teams und mit vielen Partnern gelingen kann“, ist sie überzeugt. Dass bei der zirkulären Wirtschaft neben der Produktion auch das Thema Recycling eine große Rolle in der Hanauer Industrie spielt und spielen wird, zeigt ein Beispiel von vielen bei Evonik. Entwickelt wird zurzeit ein Verfahren zur Rückgewinnung des seltenen Metalls Lithium aus Lithium-Ionen-Akkus. Es befinde sich bereits in der Testphase und soll in wenigen Jahren Marktreife erlangen.
Dr. Bernhard Fuchs, Vorstandsvorsitzender der Umicore AG & Co. KG, ist von dem Ansatz sehr überzeugt: „Umicore legte bereits in den 80er-Jahren den Grundstein für die Forschung und Entwicklung von Brennstoffzellenkatalysatoren in Hanau. Unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Technologieentwicklung hat uns gelehrt, dass der Bedarf an diesen Schlüsseltechnologien kontinuierlich steigen wird.“ Einher mit der Entwicklung von innovativen Produkten geht bei Umicore der nachhaltige Standortumbau. So sollen bereits im Jahr 2025 alle Standorte in Europa, also auch Hanau, zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden.
Auch aus der Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist eine gemeinsame Strategie und deren kooperative Umsetzung die Voraussetzung dafür, auch langfristig gute Arbeitsplätze im Rhein-Main-Gebiet zu erhalten: „Transparenz, offene Kommunikation und vor allem die Möglichkeit aller Akteure zum Mitgestalten sind wichtig. Bei uns haben sich über 1.300 Mitarbeitende an einer Umfrage des Betriebsrates beteiligt, um gemeinsam mehr als 900 innovative Ideen zur Förderung der Nachhaltigkeit zu entwickeln. Vorschläge zur Energieeinsparung oder Einrichtung agiler Arbeitsplätze sind schon in der Umsetzung. Unser Ziel ist es, Nachhaltigkeit greifbar zu machen und alle mitzunehmen“, erklärt Matthias Krebs, Betriebsratsvorsitzender des Evonik Gemeinschaftsbetriebs Hanau.
33 Beispiele für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen Hanauer Unternehmen sowie den nachhaltigen Umbau der Hanauer Produktionsstandorte wurden in der vorliegenden Veröffentlichung zusammengetragen. „Es ist uns wichtig zu zeigen, was ‚gemeinsame Gestaltung eines Industriestandortes‘ konkret bedeutet“, betont Erika Schulte. So werde man Hanau weiterhin als Materialtechnikstandort positionieren, hier das Profil noch weiter schärfen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Zirkularität. Dies sei ein besonderer Motivator für die dringend benötigten Fachkräfte. Zudem werde man die Zusammenarbeit auch an konkreten Projekten wie beispielsweise der Nutzung von Abwärme fortführen und verstärken. Ergänzend zu dem Fraunhofer Institut IWKS und dessen Leistungszentrum GreenMat4H2 werde man in dem Netzwerk H2anau weiter an der Etablierung eines Anwendungszentrums Wasserstoff in Hanau arbeiten. Im Anwendungszentrum sollen Firmen aller Größenklassen und Hochschulen Anwendungen für grüne Materialien in der Wasserstoffwirtschaft erproben können. „Bildung ist auch hier der Schlüssel zu allem“, ist Schulte überzeugt. Daher soll nachhaltige Bildung in der Stadt angeboten werden mit dem MINT-Zentrum, aber auch mit unserer BGBA, in der Studierende lernen können, wie man Produkte von Beginn an so designt, dass sie wiederverwendbar oder recycelbar sind.
„In den heute vorgelegten ‚Perspektiven: Gemeinsam den Produktionsstandort Hanau gestalten – Integriert denken und handeln – Nachhaltig, zirkulär produzieren‘ wird konkret beschrieben, wie sich unser Wirtschaftsstandort nachhaltig und zirkulär entwickeln kann. Wir zeigen mit aktuellen Beispielen, dass wir auf dem Weg sind und arbeiten künftige Arbeitsschwerpunkte heraus. Zudem zeigen wir, wie sich unsere Rechenzentrumsstrategie einfügt und welche Rahmenbedingungen wir auf kommunaler Ebene beeinflussen können und werden. Gemeinsam werden wir unseren Industriestandort langfristig nachhaltig gestalten und wettbewerbsfähig halten“, sagt Oberbürgermeister Claus Kaminsky.
Quelle: Redaktion MKK Echo