Politik, Schule und Erzieherpersonal diskutieren an der Messe Wächtersbach über Perspektiven des Berufs – Bis 2030 werden 1.000 neue Fachkräfte benötigt
Main-Kinzig-Kreis. – „Die Kinder haben mich gleich am ersten Tag mit offenen Armen empfangen und eingebunden. Es ist einfach schön, so schnell eine so enge Beziehung aufbauen zu können“: Eine der angehenden Erzieherinnen, die auf der Messe Wächtersbach aus ihrem Ausbildungsalltag berichtet hat, muss niemand mehr überzeugen. Im Gegenteil, sie stimmte den Praktikerinnen und Praktikern auf der Bühne der MKK-Messehalle zu, dass sie ganz bewusst den „Zukunftsberuf Erzieher*in“ ergriffen habe, wie sie beim gleichnamigen Aktionstag sagte. Allerdings sind im Main-Kinzig-Kreis auf vielen Ebenen noch Überzeugungsarbeit und gute Argumente vonnöten, wenn der Bedarf von etwa 1.000 Erzieherinnen und Erziehern bis zum Jahr 2030 erfüllt werden soll.
Einen Bedarf in dieser Größenordnung hatten sowohl der Main-Kinzig-Kreis als auch das Land Hessen in je eigenen Berechnungen ermittelt. Der Generationenwechsel in den Betreuungseinrichtungen wie auch der Mehrbedarf an Betreuung sind Treiber dieser Entwicklung in den kommenden acht Jahren. Der Main-Kinzig-Kreis hat daher die Messe Wächtersbach an ihrem vorletzten Tag dazu genutzt, über den Beruf, seine Chancen und seine Verbesserungsmöglichkeiten mit Personen aus Politik, Schule und Arbeitspraxis zu sprechen, veranstaltet durch das Jugendamt des Kreises.
Die Kinderbetreuung im Main-Kinzig-Kreis ist bunt, lokal und integrativ, von der Krippe bis zum Schulkind. Etwa 90 verschiedene Träger mit über 200 Einrichtungen, gut 2.600 pädagogische Fachkräfte und fast 14.000 betreute Kinder: So vielfältig und groß ist die Kindertagesbetreuung im Main-Kinzig-Kreis. Was braucht es da aus Sicht der Fachkräfte, um weitere Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen? Um Bezahlung ging es auf der Bühne der Halle 8 auch. Als ganz wesentlich erachteten es aber sowohl die jüngeren als auch die erfahrenen Frauen und Männer, Menschen mit dieser Arbeit überhaupt in Kontakt zu bringen. „Ob man Spaß an der Arbeit hat oder nicht, stellt man in der Praxis fest“, sagte etwa Cornelia Winter, Leiterin Personal beim Behindertenwerk Main-Kinzig. Sandra Hain, die in der Gemeinde Freigericht die Koordination der Kindertageseinrichtungen und der Kindertagesbetreuung innehat, bekräftigte, dass „die Freude an der Arbeit mit Kindern das A und O“ sei.
Jugenddezernent und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann betonte in der Diskussionsrunde daher das, wofür er auf kommunaler Ebene schon seit Langem wirbt: „Es geht in den Kommunen darum, mehr Praktikumsplätze zu schaffen. Wir müssen den jungen Menschen den Beruf auf diesem Weg direkter vorstellen, also ganz gezielt auch in diesen Zielgruppen werben.“ Auf landespolitischer Ebene müsse zudem mehr dafür getan werden, die Arbeitsplätze und die Ausbildung flexibel zu öffnen. „Wir gehen nicht davon aus, dass wir 1.000 Erzieherinnen und Erzieher in den kommenden acht Jahre alleine über Ausbildung erreichen, zumal die Ausbildungszeit ja fünf Jahre beträgt. Wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie wir den Beruf für Quereinsteiger attraktiv machen“, so Ottmann. Die Kapazitäten der Ausbildung seien jedenfalls schon deutlich erhöht worden – nun können die Interessentinnen und Interessenten kommen.
Gute Ausbildung, gute Fortbildungsmöglichkeiten: „Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, die müssen uns einfach ganz viel wert sein“, brachte Irmgard Herget die Bedeutung einer fundierten Ausbildungsgrundlage auf den Punkt. Sie ist Studiendirektorin an den Beruflichen Schulen Gelnhausen und dort zuständige Abteilungsleiterin. Irmgard Herget verwies darauf, dass an den Inhalten der Ausbildung keine Abstriche vorgenommen werden sollten. Auch Verena Roß sprach sich dagegen aus, Oberstudienrätin an der Eugen-Kaiser-Schule in Hanau und dort zuständige Koordinatorin für die Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher. Sie ging auf die verschiedenen bestehenden Aus- und Weiterbildungsmodelle ein: „Es gibt mittlerweile eine Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten, und damit werden wir den vielen individuellen Bedürfnissen gerecht.“
Betont wurde das Angebot der praxisintegrierten Ausbildung. Diese bietet angehenden Erzieherinnen und Erziehern die Möglichkeit, bereits während der Ausbildung zwei Tage pro Woche in einer Kindertageseinrichtung vergütet zu arbeiten. Praxis und schulische Ausbildung rücken damit nochmal näher zusammen. Außerdem besteht so die Möglichkeit, schon während der Ausbildung Geld zu verdienen.
Michaela Krone-Samer berichtete von der Arbeit in der Kita aus Sicht einer Leiterin, in dem Fall der Elisabeth Curdts-Tagesstätte in Wächtersbach. Sie würde sich wünschen, wenn Auszubildende auch stärker auf Leitungsfunktionen vorbereitet würden. Ansonsten bewertet sie die Chancen als gut, sich während der weiteren Berufszeit regelmäßig fortzubilden. „Eine Verkürzung der Ausbildung sehe ich nicht“, wie sie unisono mit den meisten anderen Praktikerinnen und Praktikern sagte. „Es ist so viel, das von unserem Beruf verlangt wird und es ist das Wichtigste, was uns Eltern anvertrauen, nämlich ihre Kinder.“
Die Vielfalt, die Perspektiven des Berufs und alles, was man dazu wissen sollte, ist auf einer eigenen Seite des Karriereportals „karriere-mkk.de“ zu finden. Unter dem Motto „Nimm die Zukunft an die Hand“ erhalten alle Interessierten vertiefende Informationen über Ausbildungswege, über Vergütung und Zuschüsse und zu den Ansprechpartnern bei den Beruflichen Schulen Gelnhausen sowie der Eugen-Kaiser-Schule.
„Wir unternehmen als Main-Kinzig-Kreis einiges, um auf den Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern aufmerksam zu machen und den Einstieg dort zu erleichtern, wo uns das möglich ist“, erklärte Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann zum Ende des Aktionstags. „Wir werden die drohende Personallücke bis 2030 aber nur im Verbund von Politik, Trägern und Schulen hinbekommen. Es braucht das Engagement auf vielerlei Ebenen und es braucht ganz sicher auch die auskömmliche Finanzierung der Menschen, die sich um unsere Kinder und Jugendlichen kümmern. Dann bleibt der Beruf auch, was er ist: ein echter Zukunftsberuf.“
Bildunterschrift: Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann warb gemeinsam mit Sandra Hain (Gemeinde Freigericht), Cornelia Winter (Behindertenwerk Main-Kinzig), Verena Roß (Eugen-Kaiser-Schule) und Irmgard Herget (Berufliche Schulen Gelnhausen, von links) für den „Zukunftsberuf Erzieher*in“.
Quelle: Main-Kinzig Kreis