– Bronze-Portraitkopf als Objekt der Woche #233
Sie galt als Grande Dame der Hanauer Kulturszene, nicht nur wegen ihres biblischen Alters: Pauli Schmorell wurde am 19. September 1899 – vor 125 Jahren – geboren und verstarb am 29. Mai 2005.
Oberbürgermeister Claus Kaminsky erinnert an Pauli Schmorell, die in Hanau lange als Lehrerin und Erzieherin aus Berufung aktiv war und sich dem Gebiet der Musik- und Jugendbildung mit großer Hingabe widmete: „Pauli Schmorell war eine in jeder Hinsicht herausragende Persönlichkeit, an die wir uns mit viel Respekt und großer Zuneigung erinnern. Sie hat das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Hanau geprägt, wie kaum eine andere.“
Pauli Schmorell sei ein Beispiel für unermüdlich zupackende Begeisterung und durchsetzungsfähige Gradlinigkeit gewesen, wenn es darum ging, das geistige, künstlerische und gesellschaftliche Leben in Hanau und der Region zu fördern, beschreibt Kaminsky. „Auch 19 Jahre nach ihrem Tod vermissen wir Pauli Schmorell und ihr herzliches Wesen noch immer schmerzlich.“
Im Congress Park Hanau erinnert ein großformatiges Gemälde, geschaffen von ihrer Großnichte Susanne Ludwig sowie ein Bronze-Porträtkopf von Karlheinz Oswald, der sich heute in den Sammlungen der Städtischen Museen Hanau befindet.
Martin Hoppe, Fachbereichsleiter Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen, stellt das Bronzeportrait Pauli Schmorell diese Woche im Rahmen seiner Reihe über „Hanauer Pretiosen“ in den Mittelpunkt als Objekt #233. Die virtuelle Sammlung findet sich auf museen-hanau.de/digital/objekt-der-woche
Hintergrund:
Pauline Karoline Eleonore Weiffenbach kam in Kassel zur Welt. Ihr Großvater war Opernregisseur, die Großmutter Opernsängerin, beide verkehrten unter anderem mit Max Reger und Gustav Mahler. Vor dem Ersten Weltkrieg zog die Familie nach Hanau, wo Schmorell 1914 eine selbst finanzierte Buchhändlerlehre in Frankfurt am Main, dann bei Albertis´ Hofbuchhandlung absolvierte. Parallel studierte sie Musik und absolvierte eine Gesangsausbildung.
1921 heiratete Schmorell Richard Haarer (1894-1944), ihr gemeinsamer Sohn Ewald wurde 1923 geboren. Wenig später begann sie Gitarrenunterricht zu geben und ihre musisch-pädagogische Jugendarbeit in mehreren Musizierkreisen, in denen Jugendliche aus KPD, SPD und kirchlichen Vereinen Mitglied waren. 1930 erhielt Schmorell die staatliche Anerkennung als Musiklehrerin, unterrichtete bis 1933 im Ortsausschuss der Jugendpflege Hanau und bis zu dessen Auflösung im Frankfurter Bund für Volksbildung.
Es folgten Anstellungen am Realgymnasium für Mädchen in Hanau, am Lyceum der Ursulinen in Frankfurt und an der Jugendmusikschule Offenbach. Sie war auch zur Truppenbetreuung in Lazaretten der Wehrmacht eingesetzt, so 1943 mit einer Schauspieltruppe am Wolchow. Mann und Sohn fielen im Zweiten Weltkrieg. 1947 folgte die zweite Heirat mit Nikolaus „Niko“ Schmorell (1894-1974), einem langjährigen Freund der Familie und Onkel von Alexander Schmorell, der als Mitgründer des Widerstandskreises der Weißen Rose 1943 hingerichtet wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete „Pauli“ den Wilhelmsbader Kreis, der mit Generationen von Hanauer Schülerinnen und Schülern durch Jugendarbeit, Senioren-, Krankenbetreuung, Sing-, Musizierwochen, Sommerfeste und Adventsfeiern Freude in die triste Nachkriegszeit brachte. Bis 1949 unterrichtete sie Musik an der Eberhard-Realschule, danach als Teilzeitlehrerin und nebenamtliche Stadt- und Kreisjugendpflegerin.
1952 wurde Schmorell wieder an die Eberhardschule berufen und unterrichtete zudem an der Gebeschusschule. Mit Musik- und Gesangsbeiträgen im Hessischen Rundfunk und der Mitwirkung bei großen Singwettbewerben wurde sie auch regional bekannt. Es folgten Fahrten in die Schweiz, Holland, England und Belgien, etwa zur Weltausstellung nach Brüssel 1958. Reisen mit dem Wilhelmsbader Kreis führten unter anderem nach Neuilly-sur-Seine / Paris. Für ihren Einsatz für Aussöhnung und Völkerverständigung erhielt sie dort 1962 eine Goldene Ehrenmedaille.
Stets pflegte Schmorell ein intensives Netzwerk mit Größen der Kulturszene: So stand sie in Kontakt mit den Musikern Paul Hindemith und Carl Orff, dem Schauspieler Matthias Wiemann und dem Schriftsteller Rudolf Hagelstange, der bis zu seinem Tod 1984 in ihrem Gartenhaus an der Hochstädter Landstraße lebte. Er bezeichnete Schmorell in dem „Salut zum 80. Geburtstag“ als „Beinahe Sankt Pauli“. 1971 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen, 1989 die August-Gaul-Plakette als höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt Hanau.
Bis zuletzt war Pauli Schmorell aktiv in das Kulturleben der Stadt eingebunden, ob ihres Charmes und Witzes bei Jung und Alt beliebt. Die Geburtstagsfeiern bis ins hohe Alter im großen Freundes- und Bekanntenkreis sind legendär. Als sie am 29. Mai 2005 – mit fast 106 Jahren – verstarb, meldete dies der Hanauer Anzeiger auf seiner Titelseite. Pauli Schmorells Asche wurde auf dem Hauptfriedhof beigesetzt.
Die Erinnerungen an Pauli Schmorell seien geprägt von Dankbarkeit und die Hochachtung vor dem Leben und dem Lebenswerk einer außerordentlich engagierten und liebenswürdigen Person, so OB Kaminsky „Es gehört zu den wunderbaren Geschenken meines Lebens, diese Frau gekannt und erlebt zu haben.“
Bild: Pauli Schmorell 2003
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Pauli Schmorell 2003
Medienzentrum Hanau
Quelle: Redaktion MKK Echo