Bei Sonnenschein fand auf dem Obermarkt in Gelnhausen eine weitere Kundgebung unter dem Motto: „Freigericht steht auf für Demokratie und gegen Rechtsextremismus!“ mit rund 300 Teilnehmer*innen statt. Die Veranstalter Alex Schopbach und Julia Hott von „Hand aufs Herz“ Gelnhausen hatten zu der „Kundgebung gegen Rechtsextremismus sowie gegen Hass und Hetze“ aufgerufen und freuten sich über den „harten Kern der Anwesenden. Sie berichteten eingangs über die Teilnahme an mehreren Kundgebungen im Main-Kinzig-Kreis. Seit drei Jahren hat sich der Kreis der Unterstützer erweitert.
Alex Schopbach: „Es ist großartig zu sehen, wie viele von Euch heute erneut hierher auf den Obermarkt gekommen sind, um ein klares Zeichen gegen den Rechtsruck und die rassistische Hetze der AfD zu setzen. Wir alle gemeinsam zeigen heute als Zivilgesellschaft unserer Heimatstadt Gelnhausen Gesicht für unsere großartige Demokratie. Wir alle gemeinsam sagen heute klar und deutlich: Wir sind ganz klar gegen Nazis! Wir Gelnhäuser stehen zusammen. Wir sind mehr und wir bleiben mehr – heute, morgen, immer!“
Anschließend ging er auf die aktuellen Erkenntnisse ein: “Wir wissen aber auch, dass ein Leben in Demokratie und Freiheit in diesen schwierigen Zeiten keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Wir erinnern Euch an Björn Höckes faschistischen Angriff auf die Inklusion im vergangenen Jahr, als er behinderte und nichtbehinderte Schüler trennen wollte. Vertreter vom VdK werden dazu reden. Anfang des Jahres die Enthüllungen über ein Geheimtreffen, bei dem die Rechtsextremen Pläne zur Deportation von zig Millionen Menschen aus Deutschland schmiedeten. Und jetzt die Skandale um Spionage für China und Russland, Schmiergeldzahlungen, Landesverrat durch angebliche Patrioten. Wolf im Schafspelz. Wir müssen hier heute ganz deutlich über die AfD reden, denn von ihr und ihrem perfiden Treiben geht die größte Gefahr für unsere Demokratie aus. Die Ausrede: Diese AfD ist demokratisch gewählt gilt für uns nicht mehr, denn auch die NSDAP war demokratisch gewählt…die Folgen sind dunkelste Geschichte und jedem bekannt.“
Schopbach wurde deutlich „Die AfD ist eine verfassungsfeindliche, demokratiezersetzende Partei, die für die Bundesrepublik Deutschland brandgefährlich ist. Die Einordnung der AfD als rechtsextreme Partei ergibt sich bereits aus ihren Grundsatzpapieren, ihrem Grundsatzprogramm und ihren bisherigen Wahlprogrammen. Tatsächlich will die AfD unsere in Reaktion auf den Nationalsozialismus entstandene freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie beseitigen. Das heißt: Käme die AfD an die Macht, wäre niemand mehr in diesem Land sicher. Die im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit als historische Errungenschaften könnten abgeschafft werden. Was wir heute erleben, ist eine gravierende Enthemmung in Politik und Gesellschaft. Und das ist brandgefährlich: Auch der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging eine Entwicklung voraus, in deren Verlauf menschenverachtende Positionen einen hohen Grad an gesellschaftlicher Normalität erreicht hatten. Im Zuge dieser Normalisierung wurden die Nationalsozialisten für viele wählbar und schließlich so stark, dass sie die Macht ergreifen konnten“.
Die viel zitierte Maxime »Wehret den Anfängen« ist angesichts der Stärke der AfD von Schopbach nicht mehr passend, weil es in der Realität nicht mehr um »Anfänge« geht, erst recht nicht in den Bundesländern und Regionen, in denen sie bei Wahlen deutlich zweistellige Zustimmungswerte erhält. Bereits das Besetzen machtvoller Positionen auf kommunaler Ebene führt zu einer gravierenden Normalisierung der Partei und ihrer Ideologie. Kommt es vermehrt zur Machtausübung auf kommunaler Ebene, kann dies der Anfang davon sein, dass sich solche Effekte der Normalisierung unaufhaltsam fortsetzen.
Alex Schopbach und Julia Hott appellierten an die Veranstaltungsteilnehmer*innen: „Schließt Euch Vereinen und Initiativen wie Hand aufs Herz e.V. an, die sich seit Jahren für Demokratie engagieren – mit Kundgebungen, mit Bildungsangeboten und in Kooperationen mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Vereinen und Organisationen. Oder engagiert Euch in demokratischen Parteien, gestaltet dort Euer direktes Lebensumfeld mit. Und sorgt somit auch dafür, dass die eine und andere Partei endlich wieder genauer hinhört, wo die Menschen der Schuh wirklich drückt. Egal für was Ihr Euch entscheidet, lebt vor: Wir sind ganz klar gegen Nazis.“
Bürgermeister Christian Litzinger sorgte für Aufmerksamkeit: „Mit großer Sorge stelle ich immer wieder fest, dass die Zahl derer wächst, die die Demokratie nicht mehr wertschätzen. Was ich aber angesichts von aktuellen Mitteilungen empfinde, übersteigt das Gefühl der Sorge bei weitem: Hitlergrüße auf dem Pausenhof, Hakenkreuze auf Schulbänken, rassistische und rechtsextreme Herausforderungen in Sozialen Medien. Vor einem Jahr wurden rechtsextreme Vorfälle an einer Schule in Brandenburg öffentlich, nun sind die Verfahren überwiegend eingestellt worden. Eine Begründung: Es handele sich um >typisches, unreflektiertes und gruppendynamisches VerhaltenWir waren früher ja auch nicht immer brav< und es einfach dabei belassen. Wir müssen verhindern, dass sich Hassgefühle und Gewalt auch in Klassenzimmern oder auf unseren Schulhöfen ausbreiten. Wir müssen Kinder so stärken, dass sie ihre eigene Meinung auch einmal gegen die Gruppendynamik verteidigen können. Es gelingt auch nicht immer, Vorbild im besten Sinne zu sein. Aber wir Erwachsenen müssen uns hier klar positionieren, müssen unseren Kindern vermitteln, dass alle Menschen, die hier in Deutschland, in Hessen, in Gelnhausen leben, Rechte haben und es verdienen, mit Respekt behandelt zu werden. Wahlerfolge rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien und die Akzeptanz radikaler Einstellungen in Teilen der Bevölkerung machen nach Aussage vom Bürgermeister deutlich, dass Rechtsextremismus und Radikalisierung in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind und Aufklärung notwendig ist. Nur ein nicht nachlassendes Zusammenarbeiten aller demokratischen Parteien kann die Lebensqualität für alle Menschen in unserer Stadt sichern. Gleichwohl sei ihm bewusst, dass es eine Menge Menschen gibt, die Probleme haben, auf die die Politik aktuell keine einfachen Antworten geben kann. Viele Menschen sind müde von der ständigen Kompromiss-Suche in der Politik, von zähen Lösungsprozessen, sie können die oftmals komplexen Entscheidungsprozesse nicht immer nachvollziehen. Hinzu kommt die allgemeine Unzufriedenheit mit der Weltsituation, die Bedrohung durch kriegerische Auseinandersetzungen in der Ukraine, in Israel und anderen Teilen der Welt. Das ist nachvollziehbar. Hier ist, nach Auffassung von Litzinger, vor allen anderen, die hohe Politik in Berlin gefragt sich eben nicht andauernd im politischen Geplänkel zu verlieren, sondern klare Entscheidungen zu treffen und diese in klaren Botschaften dem Volk, uns allen, zu erklären. Diese Entscheidungen müssen dann auch nicht notwendigerweise allen gefallen, Einstimmigkeit bei über 80 Mio. Menschen ist sowieso eher schwierig. Litzinger: „Wir führen heute wieder einen Kampf den unser Land schon einmal vor 100 Jahren führte. Auch damals stand unser Land vor großen Herausforderungen. Gab es sehr viele Menschen die Sorgenvoll in ihre eigene, die Zukunft ihrer Familie sahen. Damals wie heute ging es um persönliche Existenzen, die auf dem Spiel standen. Damals vielleicht eher um das tägliche Brot, um das eigene Leben und das der Familie zu erhalten. Heute um die Gefahren die eine kleiner werdende Welt und unser erarbeitete Wohlstand mit sich bringt. Verlustängste und die Angst vor dem >Morgen< begleitet viele in unserem Land. KI, Transformation, Globalisierung, Flüchtlingsströme sind Schlagwörter, die in ihrer Tragweite Angst machen können. Viele Nachteile einer immer verzahnteren Welt konnten wir in den Corona-Jahren erleben. Vor allen anderen Themen und Bereichen, die schon vor 100 Jahren ein Volk verführte war die Ballung und das zuspitzen auf einzelne, einfache Botschaften. Und genau dasselbe ist heute wieder im Gange. Doch geben diese >alternativen Parteien< zwar vermeidliche Antworten, aber keine Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Deshalb appelliere er an alle, die unzufrieden sind, die sich verloren fühlen, die >nur mal ihren Protest ausdrücken wollenHand aufs Herz Gelnhausen< vertreten – und es werden immer mehr. Wir sind auf deren zusammengekommen, um erneut ein starkes Zeichen für ein demokratisches, weltoffenes Gelnhausen zu setzen. Ich bedanke mich bei allen, die nicht nachlassen in dem Bestreben, für Demokratie, Solidarität, für Frieden und Freiheit vor Ort und in der Welt einzutreten. Ich freue mich, dass viele Menschen in unserer Stadt heute wieder gemeinsam deutlich machen, dass wir destruktiven Kräften keinen Raum geben wollen!“
Der VdK steht für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Hass
Der Vorsitzende vom Kreisverband Main-Kinzig vom Sozialverband VdK Achim Garde stellte eingangs fest, dass der VdK zwar parteipolitisch unabhängig und neutral ist, aber neutral heißt nicht, vor Ausgrenzung, Hass und Rechtsextremismus die Augen zu verschließen! Garde weiter: „Wir halten es für unsere Pflicht, gegen Gewalt, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus jeder Art zu wirken, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen, alle Bemühungen zur Sicherung des Friedens zu unterstützen und für die Schaffung eines freiheitlichen und sozialgerechten Europas einzutreten. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs waren der Grund für die Entstehung des Sozialverbands VdK.
Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus bildeten nach Ausführungen von Garde die zentralen Ursachen dieser historischen Katastrophe. Als Lehre aus dieser Zeit entstand unser Grundgesetz und ergab sich der historische Auftrag und die Verantwortung, die Wurzeln dieser Katastrophe – Rassismus/ Antisemitismus / Nationalismus /Extremismus – zu erkennen und deren Ausbreitung entgegenzuwirken. „Das Grundgesetz definiert ein klares Menschenbild: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Herkunft, Heimat und Sprache sowie seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Auch wegen einer Behinderung darf niemand Nachteile erleiden“ so der VdK-Kreisvorsitzende.
Artikel 1 des Grundgesetzes besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Würde bedeutet, nicht ausgeschlossen zu sein und nicht weniger Rechte und Teilhabe als andere zu genießen. Würde bedeutet auch Respekt, soziale Ordnung und Sicherheit. Viele Menschen sehen diese Werte bedroht. „Wer Menschen aufgrund ihrer Herkunft den Respekt versagt, sie wegen ihrer sozialen Situation oder Behinderungen verhöhnt und beschimpft, der schiebt sie an den Rand der Gesellschaft. Wir wollen Teilhabe für alle, wir müssen die Inklusion leben und vorleben! In einer Inklusiven Welt sind alle Menschen offen für andere Ideen. Exklusion spaltet unser Land“ appellierte Garde: „Macht mit, ob beim VdK, bei der Feuerwehr, im Sportverein, beim Roten Kreuz, bei den Kirchen – jeder braucht Euch mehr – nur so lassen wir keinen Millimeter Platz für Extremisten!“
Silvia Rosa Krämer, Landesvertreterin der Junioren des Sozialverbands VdK Hessen-Thüringen und damit das jüngste Mitglied des Geschäftsführenden Landesvorstands ergänzte, dass sie die größte soziale Bewegung des Landes Hessen aktiv mitgestalte. „Wir schreiben keine Gesetze, aber wirken als Verband mit mehr als 2,2 Millionen Mitglieder*innen maßgeblich an der Gesetzgebung mit“. Krämer betonte: Der VdK kämpft für soziale Gerechtigkeit – auf Bundes- und Landesebene sowie vor Ort in Städten, Landkreisen und Kommunen. Pflegende Angehörige stärken, Stationäre Pflege verbessern, Bildungs- und Teilhabechancen stärken. Das sind keine Ideologieprojekte. Das sind Notwendigkeiten. Inklusion ist kein Ideologieprojekt, sondern ein Menschenrecht!“
Als Vertreterin der Junioren stellte sie fest: “Krankheit und Behinderung können jede*n in jeder Lebenslage treffen. Meine Aufgabe ist insbesondere die Vertretung der Anliegen von jüngeren Menschen und Familien. Neben der Durchführung von Sensibilisierungsveranstaltungen, Aktionstagen, inklusiven Spiel- und Sportveranstaltungen ist meine zentrale Rolle die Forderungen junger Menschen und deren Angehöriger sozialpolitisch auf unterschiedlichen Ebenen zu vertreten. Wir kämpfen für eine gute Kindergrundsicherung, für gleiche Chancen und Teilhabe. Außerdem fordert der VdK bedarfsgerechte Versorgung, spezialisierte Pflegeeinrichtungen und finanzielle Entlastung für betroffene Familien, um eine optimale Entwicklung für pflegebedürftige Kinder zu ermöglichen. Wir setzen uns für ein modernes Teilhaberecht ein, für barrierefreie Freizeitangebote, eine barrierefreie Verkehrswende im Kampf gegen den Klimawandel und vieles mehr. Wir positionieren uns klar für einen starken Sozialstaat und dessen Erhaltung, für unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt! Lassen Sie uns gemeinsam solidarisch handeln für unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt denn „Nie wieder ist jetzt“!
Als Vertreter vom Geselligkeitsverein „Die Schelme“ Gelnhausen, richtete der Vorsitzende Yannick Dudene, einen Appell an die Besucher*innen der Kundgebung, dass alle Mitglieder in Vereinen und Verbänden die Demokratie entschieden verteidigen müssen. Denn: Nie wieder ist jetzt!
Maryline Lenhard, die Vorsitzenden vom Partnerschaftskomitee Clamecy-Gelnhausen-Marling informierte die Veranstaltungsteilnehmer*innen, dass die Partnerschaft zwischen Clamecy in Frankreich und Gelnhausen seit 60 Jahren und zwischen Marling und Gelnhausen seit 45 Jahren besteht. Sie erinnerte daran am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. 70 Millionen Menschen starben und Millionen auf der Flucht waren. Es war der größte zerstörerische Konflikt der Geschichte und sollte sich „Nie wiederholen“.
Ganz Europa lag in Schutt und Asche. Ein Weg des Friedens und der Versöhnung schien aussichtlos. Doch dank der Vision zweier Politiker, Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, entstand die Idee der Städtepartnerschaften. Die Bürgerinnen und Bürger beide Länder sollten sich kennen lernen. Beziehungen sollten entstehen und das Verständnis füreinander wachsen. Die Stätte Clamecy und Gelnhausen, gemeinsam mit ihren Bürgermeistern und Bürger*innen, haben sich diese Herausforderung gestellt und somit einen wichtigen Beitrag zur Entstehung eines demokratischen, friedlichen und freien Europa beigetragen. Das Europäische Friedensprojekt ist aufgegangen und auch die europäischen Werte stehen für eine starke Gemeinschaft.
“Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet“ so die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees. Leider haben viele Menschen das Vertrauen in der Demokratie verloren. Die große Herausforderungen der letzten Jahre, die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die andauernde bewaffnete Konflikte Weltweit, der Klimawandel, Flucht und Migration, machen vielen Bürgerinnen und Bürger Angst. Rechtspopulismus und nationalistisches Gedankengut, gefährden die Demokratie, nicht nur in Deutschland, in ganz Europa. Lass uns aber trotzdem oder gerade deshalb mit den Menschen ins Gespräch bleiben die zweifeln und andere Wege gehen wollen. Nicht isolieren aber bitte auch nicht tolerieren
Maryline Lenhard, zitierte die Journalistin Anja Heyde: „Der größte Feind der Demokratie ist die Angst. Rückwärts gewandt geht man keine neuen Wege, die Mut erfordern. Lasst uns mutig sein.“ Unsere Demokratie ist es wert!
Quelle: Anton Hofmann