Die Geschichte von Emad Nayleh beginnt in einem mondänen Außenbezirk von Damaskus. Der Syrer stammt aus einer wohlhabenden Familie, die es ihm ermöglicht beruflich zunächst seiner Passion nachzugehen. Er studiert Arabisch an der Universität und unterrichtet anschließend in seiner Muttersprache. Sein Vater leitet ein großes Steinmetzunternehmen mit einem wertvollen Maschinenpark, außerdem besitzt er zahlreiche Immobilien im Umland der syrischen Hauptstadt. Als er sich zur Ruhe setzt, hängt Emad Nayleh schweren Herzens den geliebten Lehrerberuf an den Nagel und folgt dem Wunsch des Vaters an die Spitze des Familienunternehmens. In dieser Funktion bereist er die Welt. In Indien und China, Norwegen und Ägypten kauft er teure Steine ein. Dann bricht vor zehn Jahren der Krieg in Syrien aus und verändert alles. Binnen weniger Wochen sind 85 Prozent der Metropolregion Damaskus zerstört. Wohn- und Miethäuser fallen dem Bombenhagel ebenso zum Opfer wie der väterliche Steinmetzbetrieb. Der Familie bleibt nur die Flucht – zunächst in den benachbarten Libanon. Nach anderthalb Jahren in einem Flüchtlingscamp gelingt dann der gesamten Großfamilie mit 21 Personen die Weiterreise nach Deutschland.
Von Damaskus nach Erlensee
Über Hannover und Zwischenstation in Schlüchtern finden sie schließlich in Erlensee eine neue Heimat. Emad Nayleh, seine Frau Azizeh Khoulani und die beiden älteren Kinder fühlen sich rasch wohl. Das Nesthäkchen wird in Erlensee geboren. Zunächst geht Emad Nayleh in den angestammten Beruf als Steinmetz zurück. Nach zweieinhalb Jahren erleidet der 50-Jährige einen schweren Arbeitsunfall, der ihn zwingt, sich beruflich neu zu orientieren. Er besinnt sich seiner alten Leidenschaft für die Arbeit mit Menschen – als Lehrer und Mentor. Spontan spricht er bei der Stadt Erlensee vor und äußert den Wunsch, eine Ausbildung zum Erzieher zu absolvieren. Bürgermeister Stefan Erb vertraut auf sein Bauchgefühl und gibt dem gestandenen Familienvater eine Chance: „Seine Begeisterung, sein Enthusiasmus und seine tiefe Herzlichkeit sind einfach ansteckend. Die ganze Familie hat sich bei uns in der Stadt mustergültig integriert. Wir haben ihm die Aufgabe als Erzieher zugetraut und er hat unsere Erwartungen noch übertroffen“, lobt der Rathauschef seinen Mitarbeiter. Der gibt sich bescheiden: „Ich bin unheimlich dankbar, dass man mir diese Gelegenheit gegeben hat. Ich habe zuvor viele Jahre nur mit Steinen, mit lebloser Materie gearbeitet. Aber die Arbeit mit Menschen, mit Kindern – darin ist Gefühl und Seele!“
KCA-Förderung ebnet den Weg
Emad Nayleh hat sich vom ersten Tag in Deutschland an fleißig und hartnäckig darum bemüht, eine Arbeit zu finden – dennoch ist die Familie auf Leistungen des Kommunalen Centers für Arbeit (KCA) angewiesen. Für Menschen wie ihn, denen der Einstieg in deutschen Arbeitsmarkt etwa aufgrund sprachlicher Hürden schwerfällt, bietet das Team Sozialer Arbeitsmarkt (SAM) im KCA intensive Förderung und Betreuung. So kann SAM-Coach Jolanta Dedio die Einstellung von Emad Nayleh bei der Stadt Erlensee finanziell subventionieren und ihn auf seinem Weg engmaschig begleiten. Wesentliche Faktoren dafür, dass die Integration gelingt. Während der dreifache Familienvater den hessischen Erziehungs- und Bildungsplan büffelt und seine Deutschkenntnisse vertieft, gelingt es seiner Frau in ihrem angestammten Beruf als Zahntechnikerin Fuß zu fassen. Beide arbeiten inzwischen Vollzeit, die älteren Kinder studieren und die jüngste Tochter besucht die Grundschule.
Jane Matzke leitet das städtische Kinder- und Familienzentrum am Sandweg in Erlensee, in dem Emad Nayleh inzwischen als Erzieher arbeitet: „Emad ist eine große Bereicherung für unser Haus. Wir sind hier voll integrativ, das bedeutet, dass wir gesunde Kinder ebenso betreuen, wie solche mit teilweise erheblichen gesundheitlichen Herausforderungen. Emad ist mit seiner Persönlichkeit, seiner Art mit Menschen völlig vorbehaltlos umzugehen aus unserem Team nicht mehr wegzudenken. Er strahlt eine tiefe Ruhe aus – das hat eine große Wirkung auf unsere Kinder.“
Gelebte Gastfreundschaft
Sein Engagement endet nicht am Arbeitsplatz. Als Ausländerbeiratsvorsitzender der Stadt Erlensee kümmert er sich aktiv um die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund. Er steht anderen Geflüchteten unermüdlich mit Rat und Tat zur Hilfe. Dabei fordert er diese aber auch: „Ich sage den Betroffenen immer, dass sie sich anstrengen sollen. Wir haben in diesem großartigen Land so viele Möglichkeiten, wir sind verpflichtet daraus etwas zu machen, uns einzubringen und etwas zurück zu geben.“ Diese Mentalität lebt Emad Nayleh mit seiner Familie vor. Deren Gastfreundschaft ist in Erlensee bereits legendär. Bei vielen Anlässen verköstigt Mutter Azizeh Kollegen, Freunde und Nachbarn. „Die Familie hat einen syrischen Nachmittag organisiert und sich auch komplett um das Buffet gekümmert. Das war ein überwältigender Erfolg – viele der älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren regelrecht zu Tränen gerührt“, schwärmt Bürgermeister Erb. Viele der frischen Zutaten stammen aus einem der eigenen Schrebergärten, die die Familie bewirtschaftet. „Gutes und gesundes Essen ist unsere Leidenschaft, es verbindet die Menschen und eröffnet Freundschaften“, so Emad Nayleh, der inzwischen zu seinem großen Stolz auch die deutsche Staatsbürgerschaft innehat. „Es ist unser Weg, danke zu sagen“.
Quelle: Redaktion MKK Echo