Donnerstag, Dezember 18, 2025
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„Bauturbo setzt an der richtigen Stelle an“

Infoveranstaltung des Kreises für seine Kommunen zu Bauturbo und Baupaket I

Main-Kinzig-Kreis. – „Bauturbo und Baupaket I versprechen viele Erleichterungen, gleichzeitig ist die Planungshoheit der Kommunen noch stärker gefragt als zuvor“, begrüßte Erster Kreisbeigeordneter Andreas Hofmann vergangene Woche rund 90 Teilnehmende bei einer gemeinsamen Veranstaltung in den Räumen der Bildungspartner Main-Kinzig. Die Ämter für Planen, Bauen und Wohnen und für Umwelt, Naturschutz und ländlicher Raum hatten die Kommunen des Main-Kinzig-Kreises eingeladen, um über die Chancen und Herausforderung der aktuellen Gesetzesänderungen zu informieren.

„Die Schaffung von Wohnraum ist ein drängendes Thema unserer Zeit, vor diesem Hintergrund setzt der Bauturbo an der richtigen Stelle an“, leitete Hofmann die Veranstaltung ein. Dennoch gelte es, gerade jetzt als Kommune die richtigen Leitblanken zu setzen, um sowohl für die Innenentwicklung als auch für die Erschließung neuer Bauflächen die notwendigen Rahmenbedingungen gemeinsam mit den örtlichen Gremien zu diskutieren und zu setzen. „Der Bauturbo bringt nicht nur mehr Freiheiten, er bedeutet vor allem auch mehr Verantwortung für Kommunen, Planer und Bauherrschaft.“

Den Einstieg machte dann auch gleich der Leiter des Amtes für Bauen, Planung und Wohnen Steffen Schomburg, der die Änderungen des Baugesetzbuches vorstellte, die mit dem Bauturbo einhergehen. Im Rahmen des Vortrages wurde deutlich, dass Ziele wie Nachverdichtung im Innenbereich und die behutsame Öffnung des Außenbereichs mit einer deutlichen Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung einhergehen. So wurde mit dem Bauturbo geregelt, dass zur Förderung der Wohnraumschaffung in Gebieten mit einem rechtskräftigen Bebauungsplan auch von jenen Festsetzungen befreit werden kann, die die Grundzüge der Planung betreffen. Dies betrifft zum Beispiel die Aufstockung und Erweiterung von Gebäuden.

Vergleichbare Regelungen wurden auch für den sogenannten unbeplanten Innenbereich getroffen. Dort kann zur Ausweitung des Wohnungsbestandes von dem Erfordernis des städtebaulichen Einfügens in die vorhandene Bebauung abgewichen werden. Dies bezieht sich ebenfalls auch auf Aufstockungen und Gebäudeerweiterungen, aber auch auf Bauen in zweiter Reihe. Im Zuge der Anwendung dieser Regelungen sind nachbarliche Interessen und öffentliche Belange zu berücksichtigen. Die Regelungen können nur zur Anwendung gebracht werden, wenn die jeweilige Kommune dem Vorhaben zustimmt. Die Zustimmungspflicht stellt sicher, dass Vorhaben des Bauturbos vor Ort zu keinen städtebaulichen Missständen führen und die kommunalen Entwicklungsvorstellungen und Konzepte auch weiterhin gewahrt bleiben.

Im Anschluss stellte Andreas Lenz, Leiter der Bauaufsicht, die Änderungen des Baupaketes I vor. Ziele sind schnellere Genehmigungen, Bürokratieabbau, technische Anpassungen der Hessischen Bauordnung und Anpassungen beim Bau von Windenergie- und Solaranlagen. So sind zum Beispiel bei der Umwandlung von rechtmäßig bestehenden Gebäuden in Wohnraum unter anderem die Regelungen zu tragenden Wänden und Stützen, Außenwänden, Trennwänden, Decken, Brandwänden nicht anzuwenden. Gleiches gilt bei Dachgeschossausbauten für die bereits bestehenden Bauteile.

Die Neuregelungen enthalten im Wesentlichen Erleichterungen für den Wohnungsbau. Gegenteilige Regelungen in kommunalen Stellplatzsatzungen werden insoweit verdrängt. Für den nachträglichen Ausbau von Dach- und Kellergeschossen oder auch die Teilung von Wohnungen dürfen künftig keine zusätzlichen Stellplätze gefordert werden. Diese Regelungen werden die Kommunen vor zusätzliche Herausforderungen im Parkraummanagement stellen.

Baugenehmigungsfrei ist nicht gleich genehmigungsfrei

Die Verantwortlichkeit wird von der Bauaufsicht in die Hände der Bauherrschaft gelegt, welche die einschlägigen rechtlichen Vorgaben einhalten muss. Bestehende Konflikte werden somit in die Vollzugsebene verlagert und treten durch den Wegfall des Genehmigungsverfahrens erst später auf, da keine präventive behördliche Prüfung erfolgt. Dies wurde auch in den beiden folgenden Vorträgen deutlich. Bernd Weingärtner, Leiter der Unteren Wasser- und Bodenschutzbehörde und Bernd Leutnant, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde machten bereits zu Beginn ihres Vortrages deutlich, dass die Baugenehmigung häufig als „Leitgenehmigung“ angesehen wird und baugenehmigungsfrei gleichbedeutend mit genehmigungsfrei angesehen werde. Dies sei aber nicht so. Wurden diese Belange bisher im Rahmen der Genehmigung mit abgehandelt, kann zukünftig eine wasserrechtliche Genehmigung zum Beispiel bei Baumaßnahmen in Überschwemmungsgebieten oder im, am und über dem Gewässer erforderlich werden.

Ähnlich sieht es im Bereich Naturschutz und Immissionsschutz aus, auch hier wurden die Anregungen und Bedenken bisher sowohl im Bauleitverfahren als auch im Bauverfahren abgefragt und das Einvernehmen mit der Behörde hergestellt. Zukünftig liegt auch hier die Verantwortung bei den Antragstellenden und den Kommunen, denn Natur- und Artenschutz sind auch weiterhin zu beachten. Zum Beispiel kann im Innenbereich eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung oder im Außenbereich eine naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung erforderlich sein. Das kann schnell zur Falle für den Antragstellenden werden, wenn er sich nicht vorab gut informiert.

Im Immissionsschutz werden die Schutzstandards abgesenkt, da von den Anforderungen der „Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ abgewichen werden kann. Ein Verlust der Verfahrenstransparenz und der öffentlichen Akzeptanz können die Folge sein.

„Ich kann vor diesem Hintergrund auch künftig nur jedem Bauherrn oder Investor empfehlen, sich vorher gut zu den örtlichen Gegebenheiten sowie den einschlägigen Gesetzen zu informieren und im Zweifel vorab den Austausch mit der Kommune und unseren Behörden zu suchen, um später Probleme zu vermeiden“, machte Andreas Hofmann deutlich.

Tatjana Buchinger als Vertreterin der Unteren Denkmalschutzbehörde des Main-Kinzig-Kreises stellte anschließend die Grundlagen und aktuellen Entwicklungen im Denkmalschutz vor. Insbesondere vor dem Hintergrund der Erleichterungen im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht ist ein geschärftes Bewusstsein unter den Planern, Eigentümern, aber auch kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den öffentlichen Belang des Denkmalschutzes gefragt. Auch die anstehende Gesetzesnovellierung des Hessischen Denkmalschutzgesetzes, die ähnlich wie beim Baupaket I und Bauturbo unter dem Schlagwort der Entbürokratisierung stehen wird, wurde vorgestellt. Tatjana Buchinger zeigte anhand von eindrucksvollen Beispielen aus der Praxis, wie historische Bausubstanz und damit identitätsstiftende Ortskerne im Main-Kinzig-Kreis belebt und durch ein konstruktives Zusammenwirken aller Beteiligten zeitgemäße und tragfähige Lösungen im Denkmalschutz mit einem Mehrwert für die ganze Region erreicht werden können.

„Ob die Ziele wie vereinfachte Vorgaben, Erleichterungen, schneller und effizientere Umsetzung, sowie die Schaffung von mehr Wohnraum mit den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich erreicht werden können, wird sich noch zeigen. Sicher ist, dass mehr Verantwortung auf Kommunen, Planer und Bauherrschaft verlagert wird“, fasste Erster Kreisbeigeordneter Hofmann die vorangegangenen Vorträge abschließend zusammen.

Erste Kommunen beschäftigen sich daher mit der Aufstellung von Grundsatzbeschlüssen für eine nachhaltige Stadtentwicklung vor Ort. Wie sollen Gremienbeschlüsse zukünftig ablaufen, welche Leitplanken geben sich Kommunen für die eigene Entwicklung, wie können öffentliche Belange und nachbarschaftliche Interessen berücksichtigt werden? All diese Fragen können Inhalt eines solchen Beschlusses sein. Hagen Hühn aus dem Bereich Dorf- und Regionalentwicklung des Kreises sowie Sabine Jennert von SPESSARTregional stellten in diesem Zusammenhang Instrumente vor, die die Kommunen zur Prozessbegleitung nutzen können. So kann zum Beispiel das Mittel der „Dorfmoderation“ ein geeignetes Instrument sein, um unter Einbeziehung möglichst vieler Interessen ein Konzept für die Kommune zu erstellen. Das Land Hessen unterstützt die Kommune hier mit attraktiven Förderquoten.

Bildunterschrift: „Der Bauturbo bringt nicht nur mehr Freiheiten, er bedeutet vor allem auch mehr Verantwortung für Kommunen, Planer und Bauherrschaft“: Erster Kreisbeigeordneter Andreas Hofmann bei seiner Ansprache in den Räumen der Bildungspartner Main-Kinzig. Rechts im Bild: BiP-Geschäftsführer Dirk Niedoba.

 

Quelle: Redaktion MKK Echo

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