Dünnes Portemonnaie trifft auf dicke Brieftasche: Im Main-Kinzig-Kreis leben rund
26.800 Bürgergeld-Empfänger, aber auch 107 Einkommens-Millionäre. „Krasser geht es
nicht: Die einen müssen jeden Euro dreimal umdrehen. Die anderen wissen nicht,
wohin mit ihrem Geld“, sagt Hendrik Hallier von der Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten (NGG). Unter den Bürgergeld-Empfängern seien viele Arbeitslose und
Alleinerziehende. Allein rund 9.550 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben nach
Angaben der NGG Rhein-Main in Haushalten, die Bürgergeld beziehen. Die
Gewerkschaft beruft sich bei den Bürgergeld-Zahlen auf die Arbeitsagentur und bei den
Einkommens-Millionären auf das Hessische Statistische Landesamt.
„Wer im Main-Kinzig-Kreis auf Bürgergeld angewiesen ist, der droht jetzt noch tiefer in
die Armut zu rutschen“, sagt Hendrik Hallier. Grund seien Pläne zur BürgergeldKürzung. „Die Bundesregierung will damit Menschen zwingen, den Gürtel noch enger
zu schnallen. Dabei ist das letzte Gürtelloch längst erreicht. Gerade auch bei den
Aufstockern: Bei Menschen also, die für einen Niedriglohn arbeiten und Bürgergeld als
Ergänzung zum Lohn dringend brauchen, um überhaupt über die Runden zu kommen“,
so der Geschäftsführer der NGG Rhein-Main.
Die Gewerkschaft warnt die schwarz-rote Koalition vor Einschnitten beim Bürgergeld.
Schon die Ankündigung der Bundesregierung, beim Bürgergeld in diesem und im
kommenden Jahr eine Nullrunde zu fahren – also keinen Inflationsausgleich zahlen zu
wollen, bedeute ein reales Minus von rund 5 Prozent beim Bürgergeld, rechnet die NGG
Rhein-Main vor. „Letztlich ist jede Kürzung beim Bürgergeld mehr oder weniger eins zu
eins auch das Geld, das weniger ausgegeben wird – das also im Main-Kinzig-Kreis als
Kaufkraft fehlt“, so Hallier.
Die NGG appelliert jetzt an die Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien
aus dem Main-Kinzig-Kreis und der Region, den Sparplänen der Bundesregierung
einen Riegel vorzuschieben: „Es ist unsozial, unfair und es bringt wenig, denen noch
etwas wegnehmen zu wollen, die sowieso wenig haben. Stattdessen sollten die, die viel
Geld haben, davon wenigstens etwas abgeben. Dann kommt unterm Strich auch mehr
Geld für alle dabei heraus“, so Hendrik Hallier.
Die NGG Rhein-Main ruft damit nach einer Reform der Erbschaftssteuer:
„Millionenerben, die keine Erbschaftssteuer zahlen, darf es nicht mehr geben“, so
Hallier. Außerdem sei ein höherer Spitzensteuersatz längst überfällig. Dieser habe in
der Ära von Bundeskanzler Kohl (CDU) sogar 56 Prozent betragen. Heute liege der
Spitzensteuersatz bei 42 Prozent und gelte ab einem Jahreseinkommen von rund
68.500 Euro. „Bis zu einem Einkommen von rund 278.000 Euro bleibt dieser Steuersatz
unverändert. Sinnvoller wäre es aber, ihn später einsetzen zu lassen und ihn dafür – je
nach Höhe des Einkommens – schrittweise weiter zu erhöhen. Außerdem gibt es nicht
einmal eine Vermögenssteuer”, sagt Hendrik Hallier.
Die NGG Rhein-Main fordert die heimischen Bundestagsabgeordneten außerdem auf,
den Fokus der Bundesregierung auch auf den Steuerbetrug zu lenken, wenn es darum
gehe, zusätzliche Einnahmen für den Bundeshaushalt zu bekommen: „Die wirklichen
Sozialschmarotzer sind nämlich die Steuerhinterzieher“, so Hendrik Hallier.
Der jährliche Schaden durch Steuerhinterziehung in Deutschland werde vom
Bundesrechnungshof auf immerhin 30 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
„Steuer-Experten gehen sogar von weit über 100 Milliarden Euro jährlich aus, die dem
Staat durch die Lappen gehen. Es ist höchste Zeit, Steuerbetrug intensiver zu
bekämpfen“, sagt Hendrik Hallier. Auch Missbrauch beim Bürgergeld müsse der Staat
konsequent verfolgen.
Bild-Unterzeile
Vom Euro ein Stück abgeknapst: Beim Bürgergeld soll es eine Kürzung um 10 Prozent
geben. Die Gewerkschaft NGG Rhein-Main warnt: „Das sind nur 10 Cent vom Euro.
Wenn die aber beim Bäcker oder an der Supermarktkasse fehlen, dann gibt’s keine
Brötchen und keine Milch. So einfach ist das.“ Statt beim Bürgergeld zu kürzen, soll der
Staat intensiver gegen Steuerhinterziehung vorgehen, fordert die Gewerkschaft.
Außerdem müsse er die Erbschaftssteuer für Millionäre reformieren und den
Spitzensteuersatz anheben.
Foto: NGG | Florian Göricke
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Quelle: Redaktion MKK Echo