Donnerstag, Juli 3, 2025
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Gegen Hetze und mediale Hinrichtung – Ein Appell für Anstand, Solidarität und demokratische Kultur

Ich schreibe diese Zeilen nicht leichtfertig. Ich schreibe sie als Bürgermeister, als Familienvater und als jemand, der Christian Litzinger persönlich kennt. Ich weiß, dass er ein engagierter Kollege ist, der sein Amt mit Ernsthaftigkeit und Verantwortung ausübt. Und gerade deshalb lasse ich es nicht unwidersprochen stehen, was ihm in den vergangenen Tagen widerfährt.

Was derzeit mit Christian geschieht, ist eine öffentliche Hinrichtung mit den Mitteln des digitalen Mobs. Eine Enthemmung, eine Verrohung, ein Abgrund.
Ausgangspunkt war ein Interview – ein Gespräch, in dem Christian Litzinger auf eine Frage geantwortet hat, die im späteren Video gar nicht mehr zu hören war. Übrig blieb ein isolierter Satz. Herausgerissen aus dem Zusammenhang. Verkürzt. Fehlinterpretiert. Und anschließend tausendfach geteilt, kommentiert und mit mehr als nur Empörung aufgeladen.

Zur Einordnung: Die Frage, auf die er geantwortet hat, bezog sich auf frühere Vorfälle im Freibad – etwa Beleidigungen gegen eingesetztes Personal oder Schlägereien. Sie bezog sich ausdrücklich nicht auf die furchtbaren sexuellen Übergriffe, die nun im Raum stehen. Warum ich das weiß? Weil ich gefragt habe, bevor ich urteile. Warum ich das glaube? Weil ich Christian Litzinger kenne – als integren, sachlichen, seinem Bürgermeisteramt würdigen Menschen. Wer ihn kennt, weiß: Er würde niemals einen sexuellen Übergriff verharmlosen. Und wer ihn nicht kennt, aber urteilen möchte, sollte sich zumindest die Mühe machen, sich sauber zu informieren.

Wer sich die Mühe macht, den vollständigen Kontext zu betrachten, erkennt, dass Christian nicht relativieren wollte – sondern einordnen, beruhigen, Verantwortung zeigen. Es war kein Fehler, es war eine Antwort. Eine, die bewusst falsch verstanden wurde – von Teilen der Berichterstattung und von denen, die sich nun moralisch überlegen auf ihn stürzen.

Und dieses Stürzen hat nichts mehr mit sachlicher Auseinandersetzung zu tun. Christian wird behandelt, als wäre er selbst der Täter. Menschen, die ihn nie getroffen haben, überschütten ihn mit Hass. Es werden schwerste Beleidigungen ausgesprochen. Es wird ihm der Rücktritt nahegelegt – nicht aus dem politischen Raum, sondern von Menschen, die auf einer Welle der Empörung surfen, die längst nichts mehr mit der Sache zu tun hat. Noch schlimmer: Seine Familie wird mit hineingezogen. Es werden Drohungen ausgesprochen, die sich gegen seine Frau und seine Kinder richten. Diesen werden schlimmste Dinge gewünscht.

Ich frage euch: Was ist das für eine Gesellschaft, in der wir Menschen öffentlich so zerreißen – wegen eines Satzes, den die meisten nicht einmal vollständig gehört oder verstanden haben?
Seit wann rechtfertigt ein absichtlich aus dem Zusammenhang gerissener O-Ton Morddrohungen? Seit wann ist es hinnehmbar, dass Menschen für eine verkürzte Darstellung so entmenschlicht werden, dass es offenbar salonfähig geworden ist, ihnen Schlimmstes zu wünschen?

Ich verachte die Männer, die diesen Mädchen im Freibad so etwas angetan haben. Sie sollen die volle Härte unseres Rechtsstaats zu spüren bekommen. Als Vater wünschte ich mir in meiner Wut, dass solchen Tätern die Hände abfallen. Aber ich weiß auch, dass genau diese Reaktion – so menschlich sie ist – nicht zum Ziel führt. Und genauso falsch ist es, Christian Litzinger für die Tat anderer verantwortlich zu machen oder ihn zu dämonisieren, nur weil er in einem Interview schlecht dargestellt wurde und geantwortet hat – auf eine andere Frage, wie dargestellt!

Wir müssen dringend aufpassen, wie wir miteinander umgehen. Es ist völlig in Ordnung, etwas nicht gut zu finden, dagegen zu protestieren, auch laut. Aber es ist nicht in Ordnung, Menschen zu entmenschlichen, sie zum Abschuss freizugeben und ihnen alles abzusprechen, was sie als Person ausmacht.

Wenn wir so miteinander umgehen, dann wird bald niemand mehr bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Dann werden wir nur noch die Lautesten hören – und nicht mehr die Vernünftigsten.

Ich fordere alle, die das hier lesen, dazu auf: Lasst uns innehalten. Lasst uns unterscheiden lernen zwischen der Skandalisierung durch Medien und dem tatsächlichen Geschehen. Lasst uns die Täter verurteilen, nicht diejenigen, die unter schwierigsten Bedingungen Verantwortung tragen. Und lasst uns solidarisch sein mit denen, die in solchen Momenten alleine gelassen werden.

Ich stehe zu Christian Litzinger. Ich stehe zu seiner Familie. Ich habe Respekt vor seinem Mut, sich nicht zu verstecken, sondern sich zu erklären. Und ich weiß, dass ich mit diesem Statement auch selbst zur Zielscheibe werde. Aber Schweigen ist in solchen Momenten keine Option. Genau das ist es doch, was uns kaputtmacht: Dass wir uns spalten lassen, dass wir nicht mehr MIT ANSTAND streiten, sondern uns gegenseitig zerfetzen.

Ich wünsche den betroffenen Mädchen alles erdenklich Gute, schnelle Hilfe, Heilung und Menschen, die ihnen beistehen.
Und ich wünsche Christian und seiner Familie Kraft – und Mitmenschen, die Haltung zeigen.

In der ehrlichen Hoffnung hiermit nicht allein zu sein!

Ergänzendes Kommentar:

Was mich in dieser Situation zusätzlich bestürzt, ist das Verhalten mancher politischer Akteure vor Ort. Dass einzelne Parteien und Vertreter in Gelnhausen diese Welle der Empörung nun auch noch für parteipolitische Zwecke nutzen und sich in einer solch aufgeheizten Lage auf den Bürgermeister stürzen, empfinde ich als beschämend.

Ich bin ehrlich froh, dass ich weiß: In Bad Soden-Salmünster würde mir so etwas nicht passieren. Weil wir – bei aller inhaltlichen Auseinandersetzung – respektvoll, menschlich und mit Anstand miteinander umgehen. Weil wir wissen, dass es Grenzen gibt, die man nicht überschreitet. Und weil wir verstehen, dass ein politischer Mitbewerber nicht automatisch ein Feind ist.

Gerade in solchen Momenten zeigt sich der Charakter einer politischen Kultur – und auch die innere Haltung zur Demokratie. Wer jetzt meint, sich auf dem Rücken eines einzelnen Menschen und seiner Familie profilieren zu müssen, der sollte sich fragen, ob das noch der Anspruch der demokratischen Mitte ist.

Ich hätte mir Solidarität erwartet. Ein gemeinsames Einstehen dafür, dass sachliche Kritik erlaubt ist, aber Hetze, Drohungen und mediale Hinrichtungen niemals akzeptabel sind – auch nicht, wenn man politisch unterschiedlicher Meinung ist.

Diese Solidarität vermisse ich. Aber deshalb stehe ich jetzt selbst dafür auf. Und ich hoffe, dass andere das auch noch tun.

Dominik Brasch

Hinweis der Redaktion:
Bei diesem Text handelt es sich um einen persönlichen Leserbrief von Dominic Brasch. Die darin geäußerten Ansichten und Bewertungen spiegeln ausschließlich seine eigene Meinung wider. Das MKK-Echo macht sich diese Aussagen nicht zu eigen und übernimmt keine Verantwortung für deren Inhalt.

 

Quelle: Redaktion MKK Echo

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