Es war eine wechselhafte Atmosphäre, die am Donnerstag-Abend im Kunstraum Artrium in der Innenstadt von Bruchköbel herrschte.
Der Verein Integration und Vielfalt Bruchköbel hatte eingeladen, um den Erzählungen von vier Menschen zu lauschen die nach der Flucht aus ihren Heimatländern, in Bruchköbel ein neues Zuhause fanden.
Die Situation geflüchteter Menschen ist den meisten einheimischen nur über und Print – und Soziale Medien bekannt. Oft überschlagen sich Meldungen zu Geschehnissen und zur Situation rund um die Flüchtlingsthematik. Leider kommen die Betroffenen dabei so gut wie nie selber zu Wort.
Begegnungen mit Geflüchteten sind meist nur zufällig und oberflächlich. Der Verein möchten das ändern.
„Mit einer Talkrunde möchten wir Geflüchteten eine Stimme geben, gleichzeitig aber auch mehr über ihre Geschichte, ihre jetzige Situation und ihre Zukunftsperspektiven erfahren, „ so Andreas Schafranka, Vorstandsmitglied des Vereins, bei seiner Begrüßung der rund 30 Zuschauer.
Nach einem kurzen Beitrag zur Geschichte, dem Leitbild und der praktischen Arbeit des Vereins, gehalten von Vorstandsmitglied Joachim Mathea, wurde die Talkrunde eröffnet.
Vier Geflüchtete, eine Frau aus aus der Ukraine, ein Mann aus dem Iran und Vater und Sohn aus Afghanistan waren als Talkgäste eingeladen. Alle sprachen gut deutsch, hatten das in Sprachkursen und mit Hilfe von Youtube und Internetkursen gelernt.
Als Moderator konnte Volker Klug, Vereinsmitglied und Geschäftsführer des ZKJF in Hanau, gewonnen werden.
Geleitet mit viel Fingerspitzengefühl des Moderators, berichteten die Geflüchteten von Erlebnissen in ihren Heimatländern, russischen Panzern die über die Nacht in die Stadt kamen oder die Ermordung von Freunden und Bedrohungen durch die Taliban. Die Entscheidung das Heimatland zu verlassen war für alle mit unglaublich großer Angst und Unsicherheit verbunden, immer in lebensbedrohlichen Situationen und ohne Perspektive dass diese sich ändert.
Die Berichte über die Flucht haben das Publikum wohl am meisten bewegt.
Aus der Ukraine mit der Enkelin über Umwege mit dem Bus , Bahn teilweise Taxi bis nach Polen und von dort nach Frankfurt.
Aus dem Iran über die Türkei nach Griechenland und dann mit dem Flixbus nach Deutschland.
Den wohl weitesten, gefährlichsten und anstrengendsten Weg hatte die afghanische Familie. Vater, Mutter, drei Kinder, der Sohn damals 14 die beiden Töchter noch jünger. Über den Iran in die Türkei, mit dem Schlauchboot nach Griechenland und dann weitgehend zu Fuß nach Deutschland. Geschlafen wurde unter freiem Himmel, auch bei der Ankunft in München.
Letztendlich kamen alle , wenn auch in Deutschland noch durch mehrere Aufnahmeeinrichtungen des Bundes, der Länder und der Kreise, in Bruchköbel an.
Die afghanische Familie lebte hier längere Zeit in einem Zimmer und teilte sich die Küche mit einer anderen Familie. War dann auch einige Zeit im Camp in der Friedberger Straße untergebracht. Die Kinder gingen in die Schule, zunächst für ein Jahr in ein Klasse um Deutsch zu lernen, dann in den regulären Unterricht. Vater und Mutter nahmen jede Gelegenheit wahr um Deutsch zu lernen. Youtube und Internet halfen dabei. Da der Beruf des Vaters, KFZ Mechaniker nicht anerkannt wurde, hat er hier unter schwierigen Umständen eine Ausbildung als KFZ Mechatroniker begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Der Sohn macht nach Fachabi eine Ausbildung als IT- Fachmann, die Töchter gehen noch zur Schule.
Da sein Architekturstudium im Iran, hier in Deutschland nicht anerkannt wird, sein Deutsch inzwischen aber sehr gut ist kann sich der Gast aus dem Iran mit Übersetzungstätigkeiten etwas dazuverdienen. Er hat nun einen Job als Bauzeichner in Aussicht. Nach längerer Zeit im Bruchköbeler Flüchtlingscamp hat er inzwischen eine eigene Wohnung. Er engagiert sich ehrenamtlich hier in Bruchköbel, erweitert so seinen Sprachschatz sogar etwas um hessisch und lernt immer wieder neue Menschen kennen.
Als einzige Frau in der Talkrunde konnte die Ballettlehrerin aus der Ukraine und ihre Enkeltochter privat unterkommen. Ihr Anspruch auf Sprachkurse ist inzwischen abgelaufen, sie bekommt aber kostenlosen Sprachunterricht von ehrenamtlichen, was sie sehr zu schätzen weiß. Sie selber engagiert sich auch ehrenamtlich, bringt ihr Wissen in einen Tanz- und Kochkurs der Gemeinwesenarbeit ein. Es hat sich herausgestellt das es schwierig ist in ihrem erlernten Beruf eine Anstellung in Deutschland zu finden. Derzeit wird versucht sie über das Jobcenter im Bereich Kinderbetreuung zu vermitteln. Ihre Enkeltochter ist dieses Schuljahr von der Heinrich Böll Schule auf die Hanauer Eugen Kaiser Schule in den Fachbereich Sozialwesen gewechselt.
Im Anschluss an die Talkrunde gab es Fragen aus dem Publikum die allesamt beantwortet wurden
Nach etwa anderthalb Stunden kam die Gesprächsrunde schließlich zu einem Ende.
Der Verein Integration und Vielfalt schloss mit der Bitte an die Bruchköbeler Stadtgesellschaft, den direkten Kontakt mit den nach Bruchköbel Geflüchteten zu suchen.
Auf der Website www.vielfalt-bruchkoebel.de stellt sich der Verein vor und zeigt Möglichkeiten auf, wie sich jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten engagieren kann.
Unter der Rubrik “news“ auf der Website gibt es einen noch etwas genaueren Bericht über den Abend.
Der Verein dankte der Stadt Bruchköbel sich im Rahmen des Anti-Rassismus-Cafe so präsentieren zu dürfen und wertete die Veranstaltung als vollen Erfolg.
Quelle: Andreas Schafranka