Montag, Februar 24, 2025
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Anke Gaußmann, Vereinsgründerin social-bag.com: „Ich möchte etwas zurückgeben“

Gegründet vor acht Jahren, engagiert sich der Verein social-bag.com e.V. für Chancengleichheit und fairen Zugang zu Gesundheitsleistungen und Schulbildung für Mädchen und Frauen in Kenia. Wir sprachen mit der Initiatorin der privaten Hilfsorganisation, der Gynäkologin Anke Gaußmann, über die aktuelle Lage vor Ort und neue Hilfsprojekte.

Wie kam es 2017 zu der Vereinsgründung? Ich bin in Kenia seit 2009 aktiv, von 2011 bis 2017 als Vorstandsmitglied von Cargo Human Care e.V. In diesem Verein war die Versorgung von Aidswaisen neben medizinischer Hilfe für die Bevölkerung der Schwerpunkt.
Im Jahr 2017 habe ich mich mit Freunden und Aktiven entschlossen, einen eigenen Verein zu gründen, um ausschließlich medizinische Hilfe für Mädchen und Frauen zu leisten. Seither haben wir Tausende von Mädchen beraten, jedes Jahr ein bis zwei mehrtägige Aktionen zur medizinischen Versorgung durchgeführt und Hunderte von Schwangerschaftsvorsorgen durch unsere PartnerInnen finanziert.
Was ist Ihre Motivation zu dieser Mission? Mein Antrieb ist die Ungerechtigkeit, mit der die kenianischen Mädchen und Frauen leben. Chancengleichheit gibt es für sie nicht. Wir sind in Deutschland privilegiert. Es macht mir Freude, etwas von unserem Wohlstand abzugeben und zu teilen.

Haben Sie einen konkreten Fall, wo sie helfen konnten? Wir haben mit einer Patientin gesprochen, die einen medizinischen Eingriff nach einer Fehlgeburt brauchte. Im Krankenhaus erhielt sie die Mitteilung, dass keine Ärzte zur Verfügung stünden. Stattdessen zeigte man ihr die Praxen der Ärzte, die im Krankenhaus angestellt sind, aber eigene Privatpraxen direkt neben dem Krankenhaus betreiben. Dort sollte sie für den Eingriff mehr als 50 € (ein Wochenlohn) zahlen. Wir haben ihr schließlich das Geld gegeben, um Komplikationen zu vermeiden

Was sollten die Leserinnen und Leser über das ostafrikanische Land wissen? Kenia ist eigentlich ein reiches und fruchtbares Land, aber die gesellschaftlichen Folgen der Kolonialisierung sind bei Weitem nicht überwunden. Teilweise leben Menschen noch sehr traditionell auf dem Land, in der Stadt leben etwa die Hälfte der Menschen in Slums. Schulbildung und medizinische Versorgung existieren in Kenia praktisch nur für Menschen, die Geld haben. Das bedeutet Armut, mangelnde Bildung, fehlende Berufschancen, frühe Heirat und Mutterschaft und damit weiter Armut für die Kinder. Diese Spirale kann nur enden, wenn Bildung möglich ist und Frauen über ihre Mutterschaft frei entscheiden können.

Wie steht es um die Chancengleichheit der Mädchen und Frauen heute? Die aktuelle Regierung tut wenig bis gar nichts für Mädchen und Frauen. Das staatliche Gesundheitssystem, dass vorherige Regierungen installiert hatten, funktioniert gar nicht mehr. Es gab vor einem halben Jahr Unruhen, weil Steuererhöhungen verabschiedet werden sollten, die unter anderem Monatshygiene verteuert hätten. Aufgrund der Unruhen hat der Präsident diesen Vorschlag zurückgenommen. Ganz aktuell sind die Studiengebühren deutlich erhöht worden, ein Schlag ins Gesicht für junge Menschen, insbesondere Frauen. Kostenlose Programme zur Schwangerschaftsvorsorge, im Umfang nicht vergleichbar mit internationalen Standards, sind wieder eingestellt worden. Aktuell geht die Entwicklung in Kenia leider rückwärts.

Was sind die Bremsfaktoren und Hindernisse für diese Arbeit? Hindernisse sind die Strukturen in Gesellschaft und Medizin in Kenia. Obwohl viele junge Menschen modern denken und Gleichberechtigung wollen, sieht die Wirklichkeit anders aus. Alle Themen rund um Sexualität werden tabuisiert. Das macht das Erwachsenwerden schwierig. Über Menstruation wird nicht gesprochen, Binden und Tampons stehen nicht zur Verfügung. Die einsetzende Monatsblutung überrascht die Mädchen und macht den Schulbesuch immer wieder schwierig bis gar unmöglich. Medizinische Versorgung für Schwangere gibt es praktisch nur gegen Bezahlung. Beides trägt zu einer immens hohen Sterblichkeit von Müttern bei, sie ist in Kenia 50mal höher als in Deutschland.

Was sind die nächsten Ziele? Wir wollen unsere bestehenden Projekte ausbauen und vergrößern. Wir arbeiten zurzeit mit fünf PartnerInnen zusammen, drei davon sind in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia und zwei weitere in ländlichen Gebieten. Außerdem gehören seit letztem Jahr 16 Schul-und Ausbildungspatenschaften zu unserem Angebot.

Was macht Ihnen Hoffnung? Es sind die vielen jungen Menschen, die versuchen, einen qualifizierten Berufsabschluss zu erreichen und sich motivieren, mit Kraft und Energie eigene Wege zu gehen. Ich hoffe, es werden jeden Tag mehr.

Bildunterschriften:
Anke Gaußmann reist mehrmals auf eigene Kosten nach Kenia, um mit Partnern vor Ort zu helfen. Ihr Verein finanziert sich ausschließlich über Spenden.

Copyright: social-bag.com

Info social-bag.com 2017 gegründet, um eine Plattform für viele Ideen zur nachhaltigen, fairen, toleranten Hilfe zur Selbsthilfe zu sein. Unser Einsatzort ist Nairobi/Kenia. Warum Kenia? Dort sterben bei 1000 Geburten derzeit immer noch 50 Säuglinge (Deutschland 4/1000). Auch die Müttersterblichkeit ist mit 350 Frauen bei 100.000 Geburten pro Jahr „beängstigend hoch“ (Deutschland 7/100.000). Zudem sind Aufklärung über Verhütung, Vorsorge und Behandlung wenig verbreitet oder nur besser Verdienenden zugänglich. Lokale Partner von social-bag.com sind Krankenschwestern und Hebammen sowie SozialarbeiterInnen. Seinen Namen gab sich der Verein, weil er „social bags“ verkaufte, aus Zeitungspapier gefaltete Einkaufstaschen, die in Kenia und Nepal gefertigt und gegen eine geringe Gebühr verkauft wurden. Auch diese Einnahmen kommen der Projektarbeit zugute. Der Verein finanziert sich ausschließlich über Spenden. Alle Kosten werden entweder privat getragen oder von Sponsoren finanziert.

Spendenkonto: Frankfurter Volksbank DE14 5019 0000 6201 4915 66.

 

Quelle: Redaktion MKK Echo

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