Wenn mich an dem Koalitionsbruch in Berlin etwas bedrückt, ist es nicht das dilettantisch, naiv formulierte Strategiepapier der FDP oder die Krokodilstränen des Bundeskanzlers, der den Bürgern einzureden versucht, dass das Ampelende für ihn überraschend kam – also die teilweise Art und Weise des Scheiterns der Koalition -, sondern der Zeitpunkt des Endes. Inhaltlich und politisch war diese Regierung schon seit Monaten gescheitert und weitgehend handlungsunfähig. Inhaltlich, weil sie auf existentielle Fragen unserer Gesellschaft, wie der Verlust der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit oder mangelnde außenpolitische Konfliktbewältigung, keine Antworten mehr liefern konnte und politisch, da sie das Vertrauen der Bevölkerung schon längst verloren hatte. Ich hatte mich schon bei dem Mitgliedervotum der FDP zum Jahresanfang für eine Aufkündigung der Koalition ausgesprochen, da zu diesem Zeitpunkt schon kein konstruktives Arbeiten mehr zu erkennen war. Die Gesamtbilanz der Koalition fällt auch deswegen schlecht aus, da die dominante grüne Partei schon am Anfang ihre politischen Projekte durchsetzen konnte, die im Wesentlichen jedoch gescheitert sind. Ob es nun die vorgezogene Abschaltung der Atomkraftwerke, das missglückte Gebäudeenergiegesetz oder die gekappte E-Auto-Prämie war, die Art und Weise einer „grünen Nanny-Regierung“, die besserwisserisch bevormundet, überreguliert und eine neue Art des Staatsdirigismus präferiert, führte zu ökonomischen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, die die Bürger zu spüren bekamen. Bezeichnend ist hierbei sogar, dass SPD und Grüne diese Politik nun trotz des Verlustes der Regierungsmehrheiten möglichst lange fortsetzen wollen. Wenn der Zeitpunkt für Neuwahlen aus parteipolitischen Erwägungen hinausgeschoben wird, zeigt das welches Staatsverständnis im Vordergrund steht – erst das Wohl der Partei und dann das der Bürger. Bedrückend ist aber auch der Umstand, dass der wahrscheinliche Sieger der nächsten Bundestagswahl, die CDU, so tut, als ob sie an der Entwicklung gänzlich unbeteiligt gewesen war. Dabei hat sie mit ihrem „Merkelanismus“ erst diese Entwicklung ermöglicht. Die Ampel, in der die FDP die absurde Rolle eines „Verhinderers“ einnahm, setzte diese Politik dann verstärkt fort. Da innerhalb der CDU jedoch noch Anhänger Merkels genügend vorhanden sind, dürfte es für Friedrich Merz nicht einfach werden, ohne ein echtes liberales Korrektiv in der Regierung oder in der parlamentarischen Opposition, diese linksliberale oder besser linkslibertäre Tendenz in unserem Lande zu verändern.
Da ich selbst Teil eines Bündnisses zwischen SPD, Grünen und BfH war, weiß ich, wie wichtig eine konsequent liberale Einstellung für den Erfolg der Politik ist. Wenn man seine parlamentarische Stärke verliert, ändert sich auch die Richtung, da der Einfluss anderer politischer Richtungen steigt. Wenn jedoch das Gestaltungspotential gering wird oder gänzlich abhandenkommt, ist der Verbleib in einer Regierung schlicht weg überflüssig. Man kann eine Politik, die die eigenen Prinzipien unterläuft, nur dann mittragen, wenn man keine eigenen Prinzipien hat oder rein opportunistisch handelt. Teilweise liegt auch noch eine Selbstüberschätzung vor, in dem man sich selbst einredet, Einfluss zu haben. Dies geschah so im Bund und wurde, da mit der CDU scheinbar eine Alternative vorhanden ist, vom Wähler abgestraft. Die Beendigung des Versuchsprojekts Ampel war deswegen konsequent und richtig. Leider hat Christian Lindner sein Handwerk nicht so gut beherrscht wie Hans Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff 1982.
Prof. Dr. Ralf-Rainer Piesold
Stadtrat a.D., ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter
Quelle: Redaktion MKK Echo