Nidderau-Eichen. „Genug ist genug“ so ist auf der Sitzung des Ortsbeirates Eichen am vergangenen Dienstagabend aus den Reihen der etwa 35 Besucher immer wieder zu hören. Gemeint sind die neuen Flüchtlingszahlen für Nidderau und da ganz speziell für Eichen. Zwar wird das Thema zurzeit in allen Stadtteilen sehr aufgeheizt diskutiert, denn es geht um die Standortfrage für weitere Unterkünfte. Doch steht Eichen jedenfalls nach Meinung der meisten Besucher an diesem Abend besonders schlecht da. Von den 621 Flüchtlingen und Asylbewerber (Stand 31.12.23) leben derzeit 107 allein in Eichen. Bei einer Einwohnerzahl von 2089 sind das immerhin 5,12 Prozent und damit der höchste Flüchtlingsanteil berechnet auf die Bevölkerungsanzahl. In Heldenbergen beträgt der Anteil beispielsweise gerade einmal 1,95 Prozent. Deshalb immer wieder die Rufe während der Sitzung: „Eichen hat genug“. Die Sitzung des Ortsbeirates war notwendig geworden, weil mittlerweile in der Stadtverordnetenversammlung und in den Fachausschüssen die Standortfrage immer wieder heiß diskutiert wird, am Ende dann aber stets vertagt wird. Im Ortsbeirat am Dienstagabend standen dieses Mal Stadtrat Rainer Vogel (Grüne) und Bauamtsleiter Bernd Dassinger den Ortsbeiratsmitgliedern und den Bürgern Rede und Antwort. Es ist vor allem die hohe Quote, also der prozentuale Anteil der Geflüchteten im Verhältnis zur Bevölkerung, der die Eicher so stört. Da änderte auch die immer wiederkehrende Äußerung des Stadtrates, dass das Stadtparlament der Verwaltung den Auftrag erteilt habe, doch für dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlings zu sorgen. „Wir hatten schon einmal die Möglichkeit einer zentralen Unterbringung für rund 200 Flüchtlingen hinter dem Blauhaus in Windecken ins Spiel gebracht. Doch ist das vom Parlament rundweg abgelehnt worden. Nun suchen wir nach dezentralen Lösungen mit maximal 40 Plätze je Unterkunft“, versuchen Vogel und Dassinger immer wieder die Gemüter zu beruhigen. Auch wenn eine kleine Minderheit, hauptsächlich Mitglieder der Flüchtlingshilfe, versucht, die menschlichen Aspekte des Flüchtlingsdramas hervorzuheben, beharrt die Mehrheit darauf, dass nach Lösungen doch erst einmal in anderen Ortsteilen gesucht werden solle. „Wenn Sie eine dezentrale Unterbringungen mit maximal 40 Plätzen anstreben, dann ist Eichen auf jeden Fall aus dem Rennen. Denn mit unseren zwei Plätzen sind wir schon sehr dezentral aufgestellt. Eine weitere Unterkunft am Bahnhof wird dies Konzept zerstören“, so mehrere Besucher. Es geht vor allem um den geplanten Standort am Bahnhof. Der stößt auf allseitige Ablehnung. „Ich habe eine 10jährige Tochter. Die muss jeden Tag auf dem Weg zur Schule zum Bahnhof gehen. Was ist , wenn dem Kind etwas zustößt? Ich jedenfalls habe mit einer neuen Unterkunft direkt neben dem Bahnhof erhebliche Angst“, meint ein Vater. Dabei gehe es nicht um eine pauschale Verdächtigung gegen Flüchtlinge, sondern diese Menschen haben zum Teil auf ihrer Flucht Furchtbares erlebt, seien traumatisiert und „da könne es schon mal bei einem oder dem anderen zu einem Ausrasten kommen“. Andere schliessen sich dieser Aussage an.
Zurück auf die politische Ebene führt die ehemalige Stadtverordnete Anette Abel die Debatte mit ihrer Frage, ob die Politik oder die Verwaltung denn endlich ein Konzept für die Unterbringung hätten. Seit mindestens drei Jahren werde in den politischen Gremien der Stadt über die Unterbringungsfrage für Flüchtlinge diskutiert. Und eine Ende ist nicht absehbar. Nach dem Wechsel an der Spitze der Kreisverwaltung wird nun aber vor allem in den Bürgermeisterversammlungen der Druck auf die Kommunen immer stärker, die ihr Soll nicht erfüllten. „Bis zum Jahresende sollen noch einmal rund 270 Flüchtlinge kommen. Und dann?“, fragt Abel. Doch Vogel weicht erneut aus: „Bisher haben wir immer eine Lösung gefunden“. Und dann führt er als Lösungsmöglichkeit sogar eine Unterbringung der Flüchtlinge in den Wohnungen über der neuerbauten Kindertagesstätte in Heldenbergen an, was bei den Besuchern allerdings nur ungläubiges Kopfschütteln verursachte. Vielleicht gibt es aber doch noch eine Möglichkeit, wie am Rande der Sitzung zu hören ist. So soll eine Fraktion planen in einer der nächsten Sitzung des Stadtparlaments einen Antrag auf Aufstellung von Containern für 80 Personen hinter dem Blauhaus in Windecken stellen zu wollen. Damit könnte Eichen vorerst aus dem Rennen sein. „Die Diskussion ist also noch nicht abgeschlossen, eine Entscheidung noch nicht gefallen“, gibt Ortsvorsteher Sam Pfeifer (SPD) den Besuchern mit auf den Heimweg. Doch die Verunsicherung bleibt groß.
Jürgen W. Niehoff
2 Fotos anbei
1. ein Großteil der rund 35 Besucher beteiligten sich an der regen Diskussion um die Standortfrage für neue Flüchtlingsunterkünfte.
2. Ortsvorsteher Sam Pfeifer (li.) und Stadtrat Rainer Vogel (re) mussten auf der Ostbeiratssitzung in Eichen viele Fragen beantworten.
Quelle: Jürgen W. Niehoff