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300 Beratungsgespräche binnen einer Woche

Ukrainehilfe: Kommunales Center für Arbeit und AQA organisieren mobile Arbeitsberatungen – Simmler: „Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die Menschen in einen eigenständigen Alltag in Deutschland zu begleiten“

Main-Kinzig-Kreis. – Gleich am Eingang der Kulturhalle in Hanau-Steinheim erfahren die Eintretenden, was sie erwartet. Auf einem großen Plakat ist „ORIANKA“ zu lesen, die Abkürzung für „Orientierung, Ankommen, Arbeiten“, sowohl auf Deutsch als auch auf Ukrainisch. Tische sind im Raum verteilt, an jedem sitzt ein zweiköpfiges Team, jeweils mit Mitarbeitenden des Kommunalen Centers für Arbeit (KCA) und der kreiseigenen Gesellschaft für Arbeit, Qualifizierung und Ausbildung (AQA). Jedes dieser Tandems berät Vertriebene aus der Ukraine in einem „Erst-Assessment“. Das bietet der Main-Kinzig-Kreis seit dem 1. Juni praktisch täglich an, also schon seit dem ersten Tag nach dem sogenannten Rechtskreiswechsel.

Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler hat einen Beratungstag in Hanau-Steinheim begleitet. „Für uns als Main-Kinzig-Kreis geht es, bei all den sicherlich noch offenen Fragen, jetzt darum, den Vertriebenen die möglichen Perspektiven aufzuzeigen. Nach den letzten Tagen und Wochen der Flucht und der Organisation des Ankommens ist es nun wichtig, dass die weiteren Schritte begleitet, erklärt und gegangen werden können“, sagt die Sozialdezernentin. Wie findet man Arbeit, wo kann man einen Führerschein machen, was hat sich mit dem 1. Juni verändert, das seien die Fragen, die die Menschen beschäftigten. „Da ist es die Aufgabe, Orientierung zu geben, das Ankommen zu erleichtern und dann auch vielleicht sehr schnell den Weg in Arbeit zu ermöglichen. Wir wollen, dass jeder, der das jetzt kann und will, ganz konkret Angebote und Hinweise erhält. Es geht um nicht weniger als ein selbstbestimmtes und gutes Leben hier in Deutschland – soweit das überhaupt möglich ist für die Menschen, die ihre Heimat im Krieg verlassen mussten.“

In den Gesprächen geht es zunächst um den Familienstand und Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufswünsche, Mobilität und Kinderbetreuung. Gesprochen wird auch darüber, ob die Person, die die Beratung in Anspruch nimmt, in eine Ausbildung oder in Arbeit vermittelt werden möchte, und wieviel Arbeitszeit sie investieren kann. An einem der Tische sitzen zwei junge ukrainische Frauen, hinter ihnen steht ein Kinderwagen. Eine Übersetzerin hilft, die Fragen der Frauen und die Antworten von KCA und AQA zu übersetzen. Gemeinsam gehen sie alle Fragen Schritt für Schritt durch, auch die, die für die Bearbeitung der Anträge noch notwendig sind.

Mit dem Stichtag 1. Juni ist die Zuständigkeit für die Hilfe zur Sicherstellung des Lebensunterhalts auf das Kommunale Center für Arbeit sowie das Amt für soziale Förderung und Teilhabe (Sozialamt) übergegangen. In aller Regel bedeutete das für die Ukrainerinnen und Ukrainer unter dem deutschen Rentenalter, dass das KCA für sie zuständig wurde und der Aspekt der Vermittlung in Arbeit eine größere Bedeutung erhielt. Das KCA hat sich auf diese Aufgabe so vorbereitet, dass schon in der ersten Juni-Woche 300 Beratungstermine angeboten wurden. Gemeinsam mit der AQA und im Auftrag des Main-Kinzig-Kreises begleitet das KCA die Menschen auf der Suche nach Arbeit und Ausbildung, aber auch in allen anderen Fragen des Alltags in Deutschland.

„Wir nehmen den Auftrag des Gesetzgebers ernst. Es geht um die Gesamtsicht auf die Menschen, die zu uns geflüchtet sind. Aber vor allem geht es um Antworten, um möglichst schnelle Beratung, und zwar so gut erreichbar wie möglich. Das wird organisiert nach dem Motto: Beratung kommt dorthin, wo die Menschen sind“, erklärt Susanne Simmler in Steinheim.

Beate Langhammer, Vorstand des Kommunalen Centers für Arbeit erläutert die Vorgehensweise im Detail: „Um die Beratung zu den Menschen zu bringen, setzen wir auf Pop-Up-Beratungsstellen. Das haben wir in den letzten Tagen hier in Hanau erstmals so ausprobiert. Unser Fahrplan sieht in den nächsten Tagen vor, in Maintal, Steinau, Bad Orb, Schlüchtern und Bad Soden-Salmünster zu sein. Weitere Städte und Gemeinden folgen auf der Beratungs-Roadmap. Am Ende soll in jeder Kommune des Landkreises möglichst einmal in der Woche ein festes Angebot installiert sein.“

In den ersten Gesprächsterminen wandten sich die Beratungsteams explizit an Jugendliche, für die eine berufliche Ausbildung in Frage kommen könnte, also vor allem an 16- bis 18-Jährige. In den Tagen nach Pfingsten folgten Beratungen für 19- bis 30-Jährige. „Heute Morgen haben 15 Personen bereits vor der Halle gewartet, noch bevor wir die Türen um 8 Uhr aufgeschlossen haben“, schildert Corinna Geßinger, Leiterin des Referats Markt und Integration im Kommunalen Center für Arbeit. „Das Angebot wird sehr gut angenommen.“ Die Resonanz sei durchweg positiv, allein an diesem Vormittag hätten 70 Beratungsgespräche stattgefunden.

Einige der Geflüchteten kommen allein, andere in Begleitung, manch eine ukrainische Mutter bringt ihr Kind oder ihre Kinder mit. „Nicht alle Menschen, die eingeladen werden, nehmen den Termin wahr oder können ihn wahrnehmen“, so Corinna Geßinger. „Aber die meisten Eingeladenen sind sehr gewissenhaft und sagen das Beratungsangebot mit triftigen Gründen ab, darunter sind viele Geflüchtete, die bereits in Arbeit sind, einen Schulplatz haben oder schlichtweg auch schon nicht mehr im Landkreis sind.“

Viele der Geflüchteten wollen nach Auskunft des Beratungsteams in Deutschland bleiben. „Wir erleben einige ukrainische Mütter mit kleinen Kindern, die ihre eigene Mutter mitgebracht haben, um selbst einer Berufstätigkeit nachgehen zu können“, berichtet Corinna Geßinger.

Die Vorstellungen, die die Arbeitssuchenden von ihrer zukünftigen Tätigkeit haben, seien ganz unterschiedlich, so Yasmin Schilling, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt beim Kommunalen Center für Arbeit. „Jene mit hoher Qualifikation möchten in ihrem erlernten oder studierten Beruf arbeiten. Vielen anderen geht es darum, so schnell wie möglich überhaupt zu arbeiten, um Geld zu verdienen und ihre Familie zu versorgen. Aber insgesamt ist es vor allem so, dass wir Menschen erlebt haben, die mit sehr hoher Motivation für ihr Leben wieder selbst Verantwortung tragen wollen. Dabei gilt es jetzt, schnell Wege zu ebnen und Möglichkeiten zu finden“, fasst Schilling zusammen.

Die Nachfrage nach Deutschkursen ist weiterhin ungebrochen hoch. Doch Mütter mit kleinen Kindern und dem Wunsch, so schnell wie möglich eine Tätigkeit aufzunehmen, stellt Präsenzunterricht vor Probleme. „Alle Angebote müssen weiter gestärkt und ausgebaut werden. Wir vermitteln zwar schon jetzt Kurse, die so gut wie möglich auf die Lebenssituation der Frauen passen, aber da ist weiterhin hoher Bedarf. Und das, was notwendig ist, muss möglichst flexibel sein, vielleicht auch noch mehr in Form digitaler Angebote oder auch in Abstimmung mit den Arbeitgebern tageweise, wenn schon eine Arbeit aufgenommen wurde“, sagt die Erste Kreisbeigeordnete.

Susanne Simmler sieht Probleme für alle Seiten, wenn nun erst gewartet würde, bis ein bestimmtes Level an zertifizierten Deutschkenntnissen vorhanden sei. „Das ist ja weltfremd. Wenn wir immer erst warten müssten, bis jemand eine Prüfung über seine Deutschkenntnisse abgelegt hat, zum Beispiel in den Integrationskursen des Bundes, dann funktioniert eine Arbeitsintegration erst zu einem sehr späten Zeitpunkt. Das muss im Sinne der Menschen deutlich flexibler gehen. Und wenn alle wollen, dann klappt das auch“, ist sie sich sicher. Schon in vielen Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen der AQA waren in den vergangenen Jahren berufliche Bildung mit Deutschkursen eng verknüpft worden. Eine Herausforderung sieht die Erste Kreisbeigeordnete zudem in der Frage der Kinderbetreuung. Auch hier müssten flexible und möglichst schnelle Lösungen gefunden werden, um den ukrainischen Müttern den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Dabei seien die Städte und Gemeinden schon mit viel Pragmatismus vorgegangen; einen gleichen Pragmatismus müsse nun auch das Land Hessen zum Beispiel mit Blick auf Personalschlüssel oder weitere Möglichkeiten an den Tag legen.

„Der Main-Kinzig-Kreis hat die Aufgabe angenommen, Menschen aus der Ukraine gut unterzubringen, gut zu versorgen und ihnen gute Chancen für ein selbstbestimmtes Leben zu bieten“, so Simmler. „Mit den mobilen Beratungsstellen können wir in allen Kommunen, in den Gemeinschafts- und Großunterkünften, kurz gesagt: überall dort, wo es notwendig und gewünscht ist, beraten.“

Die Erste Kreisbeigeordnete nutzte den Besuch in der Kulturhalle, um auch den Beratungsteams zu danken. „Jede und jeder Einzelne, der zu uns kommt und Hilfe braucht, hat fluchtartig die Heimat verlassen müssen. Viele Menschen sind emotional angefasst, wenn sie zum ‚Amt’ kommen und haben obendrein Fragen, die sie überfordern, etwa zur Krankenversicherung oder zur Kinderbetreuung. Diese ganze Dynamik macht die mobilen Beratungen für die KCA- und AQA-Beschäftigten zu einer keineswegs leichten, aber umso wichtigeren Aufgabe, die viel Flexibilität und Umsicht erfordert. Sie lotsen in diesen Gesprächen in einen eigenständigen Alltag in Deutschland.“

Die Beratungsteams des KCA und der AQA steuern in den kommenden Wochen mit ihren mobilen Angeboten alle Städte und Gemeinden sowie Gemeinschaftsunterkünfte im Kreisgebiet an. Die Verantwortlichen bitten dabei ukrainische Geflüchtete sowie deren ehrenamtlich Unterstützenden darum, nur mit Einladung zu diesen Terminen zu erscheinen. So bleibt gewährleistet, dass für alle Gespräche genug Zeit und Ruhe ist und unnötige Wartezeiten vermieden werden. Alle Betroffenen erhalten sukzessive eine Einladung zu einem der zukünftigen Vor-Ort-Termine.

Quelle: Main-Kinzig-Kreis

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