Ukrainehilfe MKK in vollem Gange: Kreis koordiniert Unterbringung, Versorgung und Hilfe mehrerer hundert Geflüchteter – Planungen gehen über aktuelle Lage hinaus
Main-Kinzig-Kreis. – Das Telefon klingelt. Ein Bürger aus dem Main-Kinzig-Kreis kündigt für den Folgetag das Ankommen einer ukrainischen Familie an. Sie sei schon unterwegs, die Unterbringungsfrage aber noch nicht völlig geklärt. „Um wie viele Personen handelt es sich denn?“ – „Wissen Sie, wie alt die Kinder sind, die mitreisen?“ – „Wie ist der körperliche Zustand, braucht jemand dringend einen Arzt?“ – „Okay, wir klären das, wir rufen gleich zurück.“ Auflegen. Informationen weitergeben. Die Fragen werden durch ein eigenes Team geklärt. Derweil klingelt das Ukrainehilfe-Telefon wieder. Nächste Anfrage. Und so geht das im Moment jeden Tag im Main-Kinzig-Forum mit seinem Amt für Sicherheit, Ordnung, Migration und Integration. Viele hundert Anfragen, per Telefon, per Mail. Ämterübergreifend arbeitet der Kreis die zentralen Themen der Ukraine-Flüchtlinge ab: Unterbringung, Versorgung, Registrierung, medizinische Betreuung, Kinderbetreuung und viele mehr. Bis Freitagmorgen hatten sich im Kreisgebiet rund 800 Menschen aus der Ukraine registriert.
Silvio Franke-Kißner, der zuständige Amtsleiter, weiß, dass sich die Fragen und Bedarfe der Menschen aus der Ukraine in den Tagen nach ihrer Ankunft verändern. Zunächst sicher ankommen, ein Obdach haben – das sind die ersten Themen. Mit dem Nötigsten versorgen. Dann die medizinische Betreuung. Dann das Registrieren und das Klären der rechtlichen Situation. Dann die Schritte in Richtung Eigenständigkeit: Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung, Schule. „Im Moment kommen jeden Tag in großer Zahl neue Menschen. Aus dem gleichen Grund: Krieg. Aber mit vielen unterschiedlichen persönlichen Hintergründen. Wir bearbeiten all diese Anliegen also parallel. Trotzdem muss man schon sagen, dass die allergrößte Priorität die Erstunterbringung hat. Das ist bei mehreren hundert Geflüchteten binnen weniger Tage durchaus mit viel Organisation und Logistik verbunden“, erklärt Franke-Kißner.
Erreichbarkeit und Versorgung „zu jeder Tages- und Nachtzeit“
Die ersten Unterbringungsorte für die Menschen aus der Ukraine sind derzeit in der Regel Einrichtungen mit vielen Betten und einer Essensversorgung auf überschaubarem Raum, etwa das Jugendzentrum Ronneburg (JZR) oder angemietete Hotels in Hanau und dem Kreisgebiet. Die Anmietung weiterer Einrichtungen dieser Art sind in Vorbereitung. Der Bedarf wächst. Noch ist aber unklar, in welchen weiteren Dimensionen die Kreise und kreisfreien Städte planen müssen. Die Menschen im Main-Kinzig-Kreis sollen im nächsten Schritt dezentral auf einzelne Wohnungen verteilt werden, die über die Mailadresse wohnraum@mkk.de durch Bürgerinnen und Bürger gemeldet worden sind. Dazu hatte der Main-Kinzig-Kreis in den vergangenen Tagen aufgerufen. Rund 200 Angebote sind eingegangen. Ein eigens zusammengestelltes Team der Verwaltung, das noch einmal verstärkt wurde, sichtet sie und mietet sie nach Möglichkeit auch schon an.
Landrat Thorsten Stolz begründet die zunächst zentrale Unterbringung der Geflüchteten, die ohne festes Ziel in die Region gekommen sind, mit der Erreichbarkeit und der Versorgung „zu jeder Tages- und Nachtzeit“: „Von der Unterbringung bis hin zur rettungsdienstlichen Akutversorgung müssen wir sehr schnell und flexibel handeln können. Uns haben Menschen schon teils mitten in der Nacht erreicht und nicht gewusst, wo sie übernachten sollen. Da können wir nicht erst bis zum nächsten Tag warten“, so Stolz. Schon in Kürze beginne der Kreis mit der Belegung der Wohnungen in den Stadt- und Ortsteilen. „Es ist für die Geflüchteten natürlich viel einfacher, sich selbst zu versorgen und in den deutschen Alltag einzufinden, wenn sie erst mal in Wohnungen eingezogen sind.“
Wichtig ist die Koordination der Hilfe
Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler, als Dezernentin unter anderem für die Bereiche Sicherheit, Ordnung und Gesundheit zuständig, hatte sich im JZR dieser Tage ein Bild von der Situation gemacht. Sie bedankte sich bei der Gelegenheit bei allen Menschen, die haupt- und ehrenamtlich bei der Versorgung helfen. Der Dank ging auch an die kreiseigene Koordinierungsstelle der Ukrainehilfe MKK, einem rund 20-köpfigen Team der Kreisverwaltung, das im Moment rein mit dem Schwerpunktthema Ukraine beschäftigt ist – nicht eingerechnet die weiteren unterstützenden Beschäftigten der Verwaltung.
„Die Menschen aus der Ukraine sind sehr froh und glücklich, in unserer Region Schutz und Hilfe zu erhalten“, sagt Susanne Simmler. „Das zu organisieren ist die Arbeit vieler Hände, die ineinander greifen, das ist unsere Pflicht, aber auch das urmenschliche Gebot der Stunde. Trotzdem ist es wichtig zu wissen, woher bekomme ich ärztliche Hilfe, wie kann ich mich und meine Familie eigenständig organisieren, kann ich eine Wohnung beziehen. Mit all dem sind unsere Teams beschäftigt. Die oft erschütternden Fluchtgeschichten bleiben dabei nicht in den Kleidern hängen, sondern sie gehen uns allen nahe.“ Dabei sei jedoch wichtig, die gute Koordination der Hilfe im Blick zu behalten: „Es geht schon jetzt nicht mehr nur darum, Menschen aus dem Krisengebiet zu holen und hier unterzubringen. Es geht um eine gutes Ankommen und eine Orientierung. Und dann geht es irgendwann sehr schnell auch darum, Geflüchtete in unseren Städten und Gemeinden mitzunehmen, ihnen sprachlich, zwischenmenschlich, kulturell, schulisch, sportlich und auf vielen weiteren Feldern helfend zur Seite zu stehen. Da sind wir schon jetzt überwältigt von all den Hilfsangeboten.“
Wer nachhaltig helfen will, kann sich ganz einfach beim Kreis melden. Unter helfer@mkk.de knüpft der Main-Kinzig-Kreis ein Netz, in dem die Hilfebedarfe schnell mit den angebotenen ehrenamtlichen Diensten zusammengebracht werden können.
„Neben dem Ehrenamt braucht es auch das Hauptamt. Wir sehen alle die Bilder aus der Ukraine und wir wissen, dass die Herausforderung für die nächsten Monate nicht sofort kleiner werden wird“, merkt Susanne Simmler an. Die Erste Kreisbeigeordnete hat in den vergangenen Tagen, gemeinsam mit Monika Bornkessel, stellvertretende Leiterin des Amts für Sicherheit, Ordnung, Migration und Integration, und dem Team um Nadja Sabanovski vom Büro für interkulturelle Angelegenheiten des Kreises Gespräche mit Helferkreisen, Sozialverbänden und Kommunen geführt. Ziel ist es, die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung zu unterstützen und gleichzeitig zu überlegen, wie vor Ort längerfristig Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird. „Es geht schließlich nicht nur um die nächsten zwei, drei Wochen, es geht um die nächsten Monate. Dessen sind sich alle Beteiligten äußerst bewusst“, fasst es Monika Bornkessel zusammen.
An den Stationen indes, an denen die Menschen derzeit zuerst untergebracht werden, sind die Bedarfe noch etwas andere. Im Jugendzentrum Ronneburg und an anderen zentralen Orten im Kreisgebiet geht es erst mal um die Registrierung, online über die Kreis-Homepage. Die Menschen erhalten Kleidung, die Kinder Spielzeug. Viele von ihnen hatten bei ihrer überstürzten Abreise nicht viel mehr als eine Tasche und das Nötigste an Papieren mitnehmen können. Bei sprachlichen Hürden helfen sich die Menschen untereinander. Der Kreis stellt Informationen mittlerweile auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch gedruckt und online zur Verfügung. Auch das macht vieles einfacher.
Landrat: „Ohne größere zentrale Einrichtungen wird es auf kurze Sicht nicht gehen“
Für die Unterbringung und die Mahlzeiten zeichnet das Team des JZR in Ronneburg verantwortlich; die Betreuung und weitere Versorgung hat das Deutsche Rote Kreuz Hanau inne. Reinhold Walz, Leiter des Jugendzentrums, hebt die starke Zusammenarbeit für die gute Sache hervor. Doch die Häuser seien schon gut gefüllt. Die übergeordnete Koordination wie durch den Kreis brauche es daher unbedingt; unangekündigte Anfragen durch Privatpersonen können nicht mal eben ohne großen Zusatzaufwand bedient werden. „Es ist ungemein wichtig, sowohl logistisch als auch mit Blick auf die vielleicht direkt benötigte Hilfeleistung, dass so früh wie nur irgend möglich gemeldet wird, dass Menschen eine Unterkunft brauchen werden“, so Walz.
Der schnelle Kontakt zum Kreis ist über die Mailadresse ukraine@mkk.de möglich. Wer privat unterwegs ist, aber noch nicht definitiv weiß, wo er im Main-Kinzig-Kreis unterkommen kann, soll sich zunächst an die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen wenden.
Im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen arbeiten derweil verschiedene Stellen tagtäglich daran, die weiteren Unterbringungsmöglichkeiten vorzubereiten und auszuloten: Angebote sichten, Verträge für Wohnungen unterzeichnen, Anfragen an Besitzer größerer Einrichtungen richten. Daneben geht es um die vielen Einzelfragen von Geflüchteten und Helfenden. Und der Verwaltungsstab des Kreises stimmt sich mit der Stadt Hanau und den weiteren Kommunen bereits über kurzfristig denkbare Szenarien ab: Was ist, wenn die Zahl der Menschen die Kapazitäten der zentralen Einrichtungen deutlich übertrifft? Was ist zu tun, wenn der Main-Kinzig-Kreis ebenfalls einen Einsatzbefehl vom Land Hessen erhält, um Unterkünfte für gleich viele hundert Menschen auf einmal zu schaffen, so wie in dieser Woche bereits in vier Landkreisen geschehen?
„Ohne größere zentrale Einrichtungen wird die weitere Aufnahme auf kurze Sicht nicht gehen“, glaubt Landrat Thorsten Stolz. „Wir befassen uns sehr konkret mit dem Gedanken, wie wir schnell eine größere Zahl an Geflüchteten unterbringen können, wenn die Lage das erfordert. Gut möglich, dass wir dann doch auch eine oder mehrere Turnhallen kurzfristig im Kreisgebiet mit einer Basisversorgung einrichten müssen. Genauso könnten wir an zentralen Stellen Wohnmodule errichten. Ich will es klar sagen: Wir schließen keine Option aus, das können wir im Moment auch gar nicht. Den Menschen eine warme und geschützte erste Bleibe zu bieten steht an oberster Stelle.“