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„Witz, die Genauigkeit und die Originalität”

Anna Baar erhält Brüder Grimm-Preis für Literatur der Stadt Hanau 2023

Hanau. Mit dem Brüder Grimm-Preis für Literatur der Stadt Hanau 2023 wurde die Autorin Anna Baar für ihr Buch „Divân mit Schonbezug” ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wurde am Freitag, 24. November 2023, im Rahmen einer Feierstunde mit zahlreichen Gästen im Kulturforum Hanau durch Oberbürgermeister Claus Kaminsky übergeben.

Die Jury mit Prof. Dr. Heiner Boehncke (Literaturprofessor), Valerie Fritsch (vorangegangene Preisträgerin), John Kannamkulam (Politikwissenschaftler), Beate Tröger (Literaturkritikerin FAZ) votierte Anfang Juli 2023 – nach eingehender Diskussion der eingereichten Veröffentlichungen – einstimmig für das Werk.

Die Begründung der Jury: „Allen meinen Orten bin ich nur eingemietet“ heißt es in einer Erzählung aus „Divân mit Schonbezug“. Anna Baar, geboren 1973 in Zagreb und aufgewachsen in Kärnten, forscht darin nach Orten, Sprachen, Herkunft. Sie schreibt aus „Entrüstung“, den Begriff leiht sich Anna Baar bei Gustave Flaubert für das Motto ihres Erzählbandes. Damit verweist die Autorin indirekt auf das Skandalon, was es bedeutet, in einem Land aufzuwachsen, in dem man die Sprache einer Minderheit besser versteckte. In den Erzählungen legt Baar den ganzen Reichtum frei, der mit dieser Sprache, mit Mehrsprachigkeit verbunden ist, sie zeigt aber auch die Not, die es bedeutet, etwas zu verheimlichen, auf das man auch stolz sein könnte. Der „Schonbezug“ aus Plastik, der über den Möbeln liegt wie ein Tabu über Sprache, Geschichte und unangenehmen Wahrheiten. Oft geht es Baars Figuren darum, sich zu sich zu bekennen, zu wider – stehen, und sei es, so lange wie möglich, auch dem Tod zu widerstehen. Immer geht es darum, dass Sprache als zugleich kollektives und individuelles Werkzeug bei der Wahrheitsfindung hilft, den ganzen Reichtum jedes Individuums zu zeigen, ganz gleich ob nun in einer oder zwischen mehreren Kulturen. Der Witz, die Genauigkeit, die Originalität, mit der Anna Baar ihre Figuren zeichnet, vermitteln ein feines Bild von der Geschichte und der Gegenwart mehrsprachiger Menschen.

Es ist ein Band mit „Geschichten über das Fremde und gleichzeitig Schöne, über das Heranwachsen zwischen den Kulturen, Heimat und Sehnsucht“, heißt es in der Beschreibung des Verlags Wallstein. Die in “Divân mit Schonbezug” versammelten Erzählungen und Fortschreibungen politischer Reden und Essays aus vergangenen Jahren zeigen Anna Baar als Forschungsreisende zwischen ihren Welten, deren Besucherführungen in den eigenen Erzählkosmos eher verwegenen Roadtrips gleichen als beschaulichen Sightseeing-Touren. Selbst in zwei Kulturen aufgewachsen erkennt sie die Entschleierung des unter den “Schonbezügen” der Idyllen Verborgenen als zwingende Grundbedingung für ein friedliches und gerechtes Miteinander. Einmal wütend, dann wieder zärtlich und heiter schreibt sie gegen die eigene Sprachlosigkeit an und erzählt in witzigen Anekdoten von der Skurrilität des Seins.

Zur Autorin:

Anna Baar, geb. 1973 in Zagreb (ehem. Jugoslawien). Kindheit und Jugend in Wien, Klagenfurt und auf der dalmatinischen Insel Brac. Ihr Debütroman “Die Farbe des Granatapfels” stand drei Monate auf der ORF-Bestenliste, ihr neuester Roman “Nil” auf der Shortlist des österreichischen Buchpreises 2021. Für den Roman “Als ob sie träumend gingen” wurde sie mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet. Anna Baar lebt in Klagenfurt und Wien.

Hintergrund:

Der Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau ist in erster Linie ein Literaturpreis für ein herausragendes Werk in deutscher Sprache aus dem Gebiet der Prosa, Lyrik oder Dramatik (einschließlich Kinder-und Jugendliteratur) und wird alle drei Jahre vergeben. Dem wissenschaftlichen Anliegen Jacob und Wilhelm Grimms entsprechend kann aber auch ein herausragendes Werk in deutscher Sprache, das sich außerdem durch hohe sprachliche Qualität und Verständlichkeit auszeichnen muss, aus dem Gebiet der Sprachforschung oder der Volkskunde prämiert werden.

Der Preis dient gleichermaßen der Auszeichnung wie der Förderung. Prämiert wird ein in den beiden vorangegangenen Kalenderjahren bei einem deutschen oder außerdeutschen Verlag erschienenes Werk.

Quelle: Stadt Hanau

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