Niederdorfelden. Viele gute Ratschläge wie „ihr müsst mehr nach links drücken“ oder „ihr müsst ersten den anderen Baum fällen“ ertönten am Samstagnachmittag in Niederdorfelden vor dem Bürgerhaus beim traditionellen Kerbbaumstellen durch die Kerbburschen. Dieser alte Brauch rührt vom traditionellen Kirchweihfest her. Doch obwohl das Fest vor allem in den ländlichen Regionen noch gefeiert wird, wird es in Niederdorfelden immer schwieriger noch Anhänger für dieses alte Brauchtum zu finden. In diesem Jahr feiern die Dorfelder Kerbburschen ihr 40jähriges Vereinsjubiläum. „Und wir sind dankbar, dass wir es auch in diesem Jahr wieder geschafft haben, ein Kerb-Wochenende auf die Beine zu stellen“, meint Sascha Köhler. Er ist mittlerweile 34 Jahre und der Sprecher der Alt-Kerbburschen. Aus 10 Mann besteht seine Gruppe nur noch und da fällt die Organisation einer Kerb neben dem Berufs- und Familienleben doch schon oftmals sehr schwer. Aber es gibt noch ein weit größeres Problem als das Organisieren einer Kerb, nämlich die Tradition mit den Kerbburschen am Leben zu erhalten. Mit Alexander Holhorst gibt es nämlich nur noch einen echten Kerbburschen in Niederdorfelden. Kerbbursche kann zwar jeder werden, vorausgesetzt er ist über 16 Jahre alt und unverheiratet, „aber Kerbburschen haben ein schlechtes Image, weil das immer mit viel Alkohol verbunden wird“, berichtet der zurzeit einzige echte Dorfelder Kerbbursche. „Meinen letzten Kumpel habe ich vor etwa 2 Jahren verloren. Da hat er geheiratet“, verrät Holhorst. Und dann geht er noch einmal auf das Gerücht mit dem angeblich so starken Alkoholkonsum ein. „Bei unseren Treffen geht es zwar auch um Geselligkeit, doch steht dabei vielmehr die Geselligkeit und die Gemeinschaft im Mittelpunkt. Das Problem, das wir in Dorfelden haben, ist die Nähe zu Frankfurt. Wir sind nur noch Schlafort und nicht mehr Wohnort im eigentlichen Sinne“, glaubt Holhorst.
Doch zurück zu dem Kerbbaumstellen. Die fast 15 Meter hohe Birke war schon Tage zuvor im nahen Wald gefällt, ins Dorf transportiert und geschmückt worden. Am Samstag wurde sie dann auf einem Anhänger durchs Dorf gezogen, begleitete von den 10 Alt- Kerbbuschen und dem einzigen echten Kerbburschen und unter leider nur spärlicher Anteilnahme der Bevölkerung. Zurück vorm Bürgerhaus wurde der Baum dann nach mehreren vergeblichen Anläufen in das vorgefertigte Loch neben dem Bürgerhaus-Eingang gehievt und festgebunden. „Die Kerb-Lies wird dieses Mal nicht in der Baumkrone befestigt, sondern wir nehmen sie zu den jeweiligen Feiern immer mit,“ berichtet Köhler weiter. Möglicher Hintergrund: bei so wenig Kerbburschen kann die Kerblies auch nicht dauern vor Dieben bewacht werden. Und da die örtliche Feuerwehr keine eigene Leiter mehr hat, können die Kerbburschen ihre Lies auch nicht jede Nacht aus der Baumkrone herunterholen. Bevor es traditionell nach getaner Arbeit ein gepflegtes Bier und eine leckere Erbsensuppe gab, gab Bürgermeister Klaus Büttner noch „seinen bürgermeisterlichen Segen“ zu der anstehenden Kerb. Denn auf dem Platz hinter dem Bürgerhaus waren ein Karussell, eine Schießbude und ein Imbiss aufgebaut. Am Abend startete dann die Party mit den „Äppel-Quetschern“ im Bürgerhaus. Der Sonntag startete dann mit dem Gottesdienst und dem Frühschoppen anschließend im Bürgerhaus. Bevor die Kerblies nach einem erneuten Umzug durchs Dorf verbrannt wurde, gab es noch einen Familiennachmittag mit der Kindertanzgruppe „Twinkle Stars. Das Kerb-Wochenende schloss ab mit einer Kerbparty im Schützenclub.
Jürgen W. Niehoff
3 Fotos anbei
1. mit vereinten wird von Dorfeller Kerbburschen der diesjährige Kerbbaum errichtet
2. fast 15 Meter hoch ist die bunt geschmückte Birke vor dem Niederdorfelder Bürgerhaus
3. die Kerblies stets im Auge der einzige Kerbbursche Alexander Holhorst (li.) und der Sprecher der Alt-Kerbburschen Sascha Köhler (re.)
Quelle: Jürgen W. Niehoff