Eine geführte Wanderung im frühen Herbst durch den Wald rund um die Kurstadt bot der Spessartbund-Verein „Ortsgruppe Bad Orb 1901“ für die Bad Orber Kur GmbH an diesem Wochenende an. Treffpunkt war zunächst der Salinenplatz vor der Tourist-Information. Dort begrüßte der Vorsitzende des Spessartbundvereins, Frank Hoim die versammelten Mitglieder und die „stets willkommenen“ Gäste. Er regte sie an, für ein paar Wanderstunden die Sorgen zurückzulassen, zur Ruhe zu kommen und den freien Geist in sich zu spüren. Die Wanderziele seien an diesem Tag Entspannung für Körper und Geist, Wissensvermittlung zur Natur und Geschichte, sinnvolle und gesunde Freizeitgestaltung sowie die Förderung sozialer Kontakte. Für den Spessartbund Bad Orb sei es selbstverständlich auch die Wander-Gastfreundschaft für die Besucher der Kurstadt zu pflegen.
Zunächst wurden die Wanderinnen und Wanderer mit dem Taxi zum Wanderausgangspunkt an der Wegscheide gebracht, wo sich auf einem 31 Hektar großen Gelände mit 1.000 Betten Deutschlands größtes Schullandheim befindet. Die vorgesehene Wanderstrecke verlief über rund zwölf Kilometer und drei Stunden über die Telefonlinie, den Ameisenrain, den Metzler Plan, die Reussbuchen und das Langgut und durch das Haseltal zurück zum Salinenplatz. Wanderführer waren Hoim und Klaus Koch.
Schon kurz nach dem Einstieg in den Wanderweg zur Haselruhe versetzte Wanderführer Koch die Wanderinnen und Wanderer in ein Staunen über die Komplexität des Waldes und die Vielfalt des konkreten Waldlebens jenseits des Stresses und der Konsumbedürfnisse des Alltags. Am Wegesrand tauchten die ersten Pilze auf, die immer in Symbiose zu einer bestimmten Baumart wüchsen und von denen es im Spessart rund 1.000 Arten gebe. Harald Zischka, Spessartbund-Mitglied, konnte es nicht lassen, ein Parasol-Prachtexemplar in die heimische Küche zu entführen. Aus der Krone einer Buche war ein Schwarzspecht-Schrei zu vernehmen, der nach Koch – wie bei vielen Vogelarten – nur von männlichen Vögeln ausginge. In einem Nistkasten, den Koch vorsichtig öffnete, hatten Fledermäuse einen schützenden Unterschlupf gefunden und konnten bestaunt werden. Den Wegesrand schmückten Adler-, Frauen- und Wurmfarne sowie Schönheit únd den Tod in sich bergende hochgiftige Bella-Donna-Staude mit reifen Beeren, aus denen für die Augenmedizin ein die Pupillen erweiterndes Medikament hergestellt wird.
An einem absterbenden Bestand junger Fichten erläuterte Koch die Lebenswiese der Hirsche. Ausgestattet mit einer genetisch verankerten Sehnsucht nach der Weite der Steppe, aus der sie ursprünglich stammten, schälten sie mit Ihren Rotwild-Geweihen die Rinden ab und die in den Stamm eindringende Rotfäule führe zum Absterben der Bäume. An einem Stück Rinde verdeutlichte Wanderführer Hoim das Wirken eines anderen „Feindes“ der Bäume, des Borkenkäfers. Auf der Innenseite der Rinde zeigte sich ein künstlerisches Relief aus Fressrillen und Rammelkammern des Käfers. Wenig später demonstrierte Zischka an gefälltem Langholz die schallleitende Eigenschaft gefällter Bäume.
Die Ästhetik der Natur offenbart sich oft in den kleinen Details. So zerrieb Koch Nadeln der Douglasie und ließ feinen Organendurft in Nasen strömen. Koch mahnte aber auch an, achtsam mit der Natur umzugehen. Oft sei der Mensch sich seines zerstörerischen Wirkens nicht bewusst und es sei sinnvoll, der Natur freien Lauf zu geben. Auf gerodeten Waldflächen brauchten neue Bäume nicht ausgesetzt zu werden, sondern der Samenflug und durch den Kot der Waldtiere verbreiteten sich besonders widerstandsfähige Sträucher und Bäume von selbst. Achtsam sei bei Rodungen, auch einzelne Bäume mit einem aufgesprühten „H“ zu versehen und stehen zu lassen. Solche alten Bäume seien ein wichtiges Habitat für viele Tierarten und den Samenflug.
Nach solchen tiefschürfenden Erkenntnissen ging es am Rande des Haseltals vorbei an der Waldbühne, wo eine kleine Rast eingelegt wurde, zum Salinenplatz. Unterwegs begegneten den Wanderinnen und Wanderern noch Artefakte des Menschenwirkens wie alte Zubringerwege zum Eselsweg, Bunker sowie Eis- und Kühlkeller an Waldhängen.
Quelle: Peter Völker