Cheftrainer Matthias Geiger spricht im Interview über Leistung, Lehren und Leidenschaft
Die Saison 2024/25 war eine der erfolgreichsten der jüngeren Vereinsgeschichte des TV Gelnhausen: Vizemeisterschaft, DHB-Pokal-Qualifikation und eine starke Aufstiegsrunde – die Mannschaft hat sportlich beeindruckt und sich auch überregional Respekt verschafft. Cheftrainer Matthias Geiger spricht im Interview über die Gründe für diesen Erfolg, die nächsten Entwicklungsschritte – und warum der Weg für den TVG gerade erst beginnt.
Herr Geiger, Vizemeister, DHB-Pokal-Qualifikation und eine starke Aufstiegsrunde – mit ein bisschen Abstand, wie fällt Ihr Fazit zur Saison 2024/25 aus?
Die Saison ist natürlich überragend verlaufen – aber das ist kein Zufall. Die Jungs arbeiten seit Jahren extrem hart und haben sich diese Entwicklung absolut verdient. Inzwischen kommt neben der spielerischen und körperlichen Entwicklung auch eine gewisse Reife hinzu. Ein großer Faktor war zudem, dass wir weitestgehend verletzungsfrei geblieben sind – ein Kompliment an unser Athletikteam, das gesamte Trainerteam und unsere medizinische Abteilung. In diesem Bereich sind wir sehr professionell aufgestellt – und das zahlt sich aus. Dass in der Mannschaft großes Potenzial steckt, sehen wir schon seit mehreren Jahren. Jetzt kam die nötige Stabilität dazu – das war vor der Saison unser erklärtes Ziel, und genau das war der Schlüssel für unsere starken Ergebnisse.
Was war rückblickend der X-Faktor für diese erfolgreiche Spielzeit?
Es war das Zusammenspiel vieler Faktoren. Die Mannschaft hat sich die Kompetenz erarbeitet, taktische Vorgaben konsequent umzusetzen – das hat sie in dieser Saison nochmal auf ein neues Niveau gehoben. Vor allem im Bereich Spielvorbereitung haben wir große Fortschritte gemacht. Die Jungs setzen besprochene Inhalte nahezu vollständig um. Besonders die Abwehr hat sich enorm weiterentwickelt – ebenso die Torhüterleistungen und unser Positionsangriff. Natürlich haben wir da immer noch Luft nach oben, aber die Richtung stimmt.
Was war aus Ihrer Sicht der größte Entwicklungsschritt, den das Team in dieser Saison gemacht hat?
Definitiv die Abwehr. Die Fortschritte zeichnen sich zwar schon seit mehreren Jahren ab, aber in dieser Saison hat das System richtig gegriffen. Die Abläufe sind automatisiert, die Zweikampfstärke enorm gewachsen. Dazu kommt: Die Jungs gewinnen an Erfahrung – das hat sich in engen Spielen gezeigt. Während wir solche Partien letzte Saison oft noch verloren haben, konnten wir jetzt Ruhe bewahren und sie für uns entscheiden.
In der Aufstiegsrunde habt ihr euch gegen starke Gegner sehr gut präsentiert. Woran hat es am Ende gefehlt, um noch den Schritt in die 2. Bundesliga zu machen?
Auf diesem Niveau entscheiden am Ende Kleinigkeiten – sei es ein technischer Fehler, eine ungenutzte Torchance oder ein verlorener Zweikampf. Genau das haben wir im Spiel gegen Hildesheim nicht über die vollen 60 Minuten hinweg geschafft. Für uns war es das erste Mal, dass wir in so einer entscheidenden Partie standen – und dennoch haben wir gezeigt, dass wir absolut mithalten können. Entscheidend ist für mich, dass wir uns überhaupt in diese Position gebracht und auf Augenhöhe agiert haben. Es war eine besondere Erfahrung, gegen solch einen Gegner anzutreten – und auch zu bestehen. Das hat der Mannschaft noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt, was in ihr steckt. Gleichzeitig wissen wir: Einige Topspiele – wie gegen Krefeld oder Longerich – konnten wir nicht für uns entscheiden. Aber genau solche Spiele bringen uns weiter. Für viele war es das erste K.o.-Spiel, in dem es wirklich um alles ging. Diese Erfahrung wird uns langfristig helfen – denn durch solche Momente wächst man.
Wie haben Sie die unglaubliche Unterstützung der Fans in dieser Saison wahrgenommen – gerade in Heimspielen?
Das war einfach phänomenal. Die Unterstützung von den Rängen war überragend – und sie kam nicht nur in den guten Momenten. Besonders beeindruckend war das Heimspiel gegen Longerich, als wir mit 15 Toren verloren haben – und trotzdem mit Standing Ovations verabschiedet wurden. Das war ein starkes Zeichen der Fans, das die Mannschaft – und auch ich – gespürt haben. Diese Rückendeckung hat uns durch die Saison getragen.
Welche Rolle spielt das gesamte Team im Hintergrund für diesen Erfolg?
Eine entscheidende. Es geht hier nie nur um einzelne Personen. Jeder im Team – von den Spielern über das Trainerteam, die Athletik- und Torwarttrainer, die medizinische Abteilung bis hin zu unseren Betreuern – muss seinen Job machen. Und das passiert bei uns auf einem sehr hohen Niveau. Die Zahnräder greifen ineinander, und das merkt man.
Was dabei oft zu kurz kommt: Ohne unsere zahlreichen ehrenamtlichen Helfer würde an einem Heimspieltag gar nichts laufen. Ob Hallenaufbau, Einlass, Catering, Technik oder Organisation – viele engagierte Menschen arbeiten im Hintergrund mit großer Leidenschaft und machen damit Dritte Liga in Gelnhausen überhaupt erst möglich. Auch außerhalb der Spieltage leisten viele im Umfeld des Vereins großartige Arbeit, oft unbemerkt, aber mit riesigem Einfluss. Diese Unterstützung ist für unseren Erfolg genauso unverzichtbar wie alles, was auf der Platte passiert.
Was bedeutet Ihnen dieser Vizemeistertitel ganz persönlich – nach vielen Jahren beim TV Gelnhausen?
Es ist natürlich fantastisch, das mit den Jungs zu erleben, die ich jetzt seit vielen Jahren begleite. Zu sehen, wie sie sich kontinuierlich weiterentwickeln und gemeinsam mit ihnen solch ein Ergebnis zu erreichen, ist ein unglaublicher Lohn für all die Arbeit, die wir investiert haben. Das freut mich persönlich extrem – gerade, weil ich weiß, wie viel Einsatz, Disziplin und Leidenschaft hinter dieser Entwicklung steckt.
Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Saison für die kommende Vorbereitung?
Wir sehen nach wie vor Entwicklungspotenzial – vor allem im konsequenten Tempospiel, auch wenn wir da schon auf einem sehr hohen Niveau agieren. In der Abwehr – gerade im Zusammenspiel mit unseren Torhütern – können wir noch mehr Automatismen und Zweikampfstärke entwickeln. Unser Positionsangriff soll variabler werden. Wir sind im Nahwurfbereich sehr effektiv, und auch aus dem Rückraum – insbesondere bei Schlagwürfen – haben wir große Fortschritte gemacht. Trotzdem wollen wir auch hier noch zulegen, gerade bei Würfen aus der zweiten Reihe. Unser Ziel ist es, das Angriffsspiel insgesamt noch flexibler und unberechenbarer zu gestalten.
Wie verändert eine so erfolgreiche Saison die Erwartungshaltung – intern wie extern?
Intern bleiben wir da sehr sachlich. Die Mannschaft weiß genau, welchen Weg wir gehen – und das ist kein kurzfristiges Projekt, sondern eine Entwicklung über Jahre. Klar, so eine Saison gibt Rückenwind, aber sie ist kein Selbstläufer für die Zukunft. Die Liga wird von Jahr zu Jahr stärker, die Leistungsdichte nimmt weiter zu. Wir sehen, was bei Teams wie Saarlouis oder Longerich passiert – da müssen wir dranbleiben, unseren Kader weiterentwickeln und hart arbeiten. Extern hoffen wir auf eine realistische Einschätzung und natürlich weiterhin auf die großartige Unterstützung unserer Fans. Mit deren Rückhalt wollen wir auch kommende Saison wieder emotionale Heimspiele abliefern.
Worauf freuen Sie sich jetzt in der Sommerpause – und wann geht es für Sie und die Mannschaft wieder los?
Ich freue mich auf ein paar ruhigere Tage – auch wenn die Pause kurz ist. Am 16. Juni starten wir schon wieder in die Vorbereitung. Trotzdem ist es wichtig, jetzt einmal durchzuatmen, abzuschalten und die letzten emotionalen Wochen zu verarbeiten. Diese Zeit brauchen wir, um neue Energie zu tanken, neue Impulse zu sammeln – und mit frischer Kreativität in die nächste Runde zu gehen.
Der Verein entwickelt sich auf allen Ebenen rasant nach vorne. Wie nehmen Sie die Entwicklung wahr?
Das spüren wir im gesamten Trainerteam und in der Mannschaft sehr deutlich. Allein die intensive Vorbereitung auf die Lizenzierung für die 2. Bundesliga zeigt, wohin sich der Verein bewegt – und welche Anforderungen perspektivisch auf uns zukommen, auch in Sachen Infrastruktur. Besonders freut mich, wie aktiv das Medienthema bespielt wird. Unsere Geschäftsführerin macht einen herausragenden Job, und auch die baldige Eröffnung unserer Geschäftsstelle ist ein wichtiger Schritt. All das sind essenzielle Bausteine, die zeigen: Der TVG ist auf einem sehr guten Weg – und wir alle gestalten ihn gemeinsam.
Gleichzeitig wird aber auch deutlich: Wenn wir den eingeschlagenen Weg weitergehen wollen, brauchen wir mittelfristig bessere strukturelle Bedingungen – insbesondere im Bereich Hallenkapazitäten. Die Anforderungen an Trainingsqualität, Zuschauerkomfort und organisatorische Abläufe steigen stetig. Hier sind wir als Verein auf Unterstützung angewiesen, vor allem auch seitens der Stadt und des Landkreises. Ein zukunftsorientierter Ausbau der Halle ist aus meiner Sicht ein zentraler Schlüssel, um der sportlichen und gesellschaftlichen Entwicklung am Standort Gelnhausen gerecht zu werden.
Quelle: Redaktion MKK Echo