Samstag, November 23, 2024
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Pierrot – Pariser Lebensgefühl im Schlosskonzert

Mit „Pierrot – Im Zwist mit dem Mond“ startete die Saison 2024 der Büdesheimer Schlosskonzerte. In der Kammermusikreihe der Musikschule Schöneck-Nidderau-Niederdorfelden und des Förderkreises Büdesheimer Schlosskonzerte waren die Cellistin Anna-Lena-Perenthaler und die Pianistin Kasia Wieczorek im Dorfgemeinschaftshaus Oberdorfelden zu Gast.

In der Corona-Krise entwickelte Anna-Lena Perenthaler ein Konzertformat für ihre Nachbarschaft, das in über 50 Konzerten mehr als 2000 Zuhörer erreichte. Die Nachbarschaftsmusik wurde eine Bewegung der freischaffenden Orchester in Frankfurt und dem Rhein-Main Gebiet, für die sie seitdem ein Festival organisiert. Kasia Wieczorek ist offizielle Klavierpartnerin des ARD Wettbewerb München, des Wieniawski Wettbewerb in Posen und des Aeolus Wettbewerbs in Düsseldorf. Sie wirkt bei Universitäts-Meisterklassen in Europa, Asien und den USA und ist Dozentin an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt sowie der Kronberg Academy.

Bereits das Konzertprogramm wies auf die Besonderheit hin: Die Pantomime würde die sonst übliche gesprochene Moderation ersetzen, schauspielerische Einlagen die Handlung illustrieren. Pierrot, die stumme, weißgeschminkte französische Bühnenfigur, verkörpert von Anna-Lena Perenthaler, begibt sich auf eine Reise zu Columbine, verkörpert von Kasia Wieczorek. Kernstücke sind die Sonaten für Violoncello und Klavier von Claude Debussy und Francis Poulenc.

Zunächst kommt Pierrot mit dem Zug in Paris an. Heitor Villa-Lobos‘ „Trenzinho do Caipira“ aus Bachianas Brasileras Nr. 2 eröffnet das Konzert äußerst wirkungsvoll. Debussys Lied „Pierrot“ folgt instrumental.

Zu Debussys Cello-Sonate, die ursprünglich den Titel “Pierrot fâché avec la lune” (Pierrot im Zwist mit dem Mond) trägt, ist zum 2. Satz überliefert: „Der betrunkene Pierrot torkelt durch die Gassen, stößt sich an einer Laterne und beginnt unter Columbines Balkon mit einer verstimmten Gitarre zu singen. Sie schmiert ihm Honig um den Mund, um ihn gleich darauf wieder zu verspotten.“ In ihrem Bühnenkonzept entspinnt Anna-Lena Perenthaler mit Überschriften im Programm und schauspielerischen Sequenzen einen Handlungsstrang um diese Szene, das Publikum projiziert einen eigenen Film auf die innere Leinwand.

Pierrot sitzt in einer Bar, zwei Stücke von Camargo Guarnieri erklingen. Er pflückt eine Rose, befestigt diese genauso am Cello, wie einen darum geschlungenen Brautschleier und sucht Columbine auf. Schließlich sitzen beide Rücken an Rücken auf einem Klavierstuhl und musizieren Poulencs „Les chemins de l‘amour“.

Pierrot ist verliebt, trinkt sich Mut an – Columbine probiert ebenfalls. Pierrot singt Charles Trenets Chanson „Au Claire de la Lune“. Das Publikum beklatscht den Schellack-Titel aus dem Jahre 1943 begeistert. Eine tolle Leistung der vielseitig begabten Anna-Lena Perenthaler, großartig begleitet von Kasia Wieczorek. Beide agieren wie aus einem Guss.

Mit Claude Debussys Sonatensätzen Serenade und Finale versucht Pierrot Columbine am Balkon zu gewinnen, die Liebe wird verschmäht, für Pierrot geht die Welt unter. Eric Saties „Gnossienne No.1“ erklingt auf dem Klavier und gleitet in eine freie Improvisation hinüber. Fort ist die Angebetete, hat ihn betrogen. Traurig und anklagend starren die Augen den Mond an, traurig sind fortan Gesichtsausdruck und Cellospiel. Im Ausklang, den Sätzen Cavatine und Ballabile der Sonate Francis Poulencs, kommt wieder Hoffnung auf. Eine großartige Leistung beider Künstlerinnen, ein Vergnügen, beide auf Pierrots Reise zu begleiten! Das nächste Büdesheimer Schlosskonzert „Retratos“ findet am Sonntag, 21.04.2024 um 17 Uhr mit dem Gitarrenduo Nick und David Kvaratskhelia im Dorfgemeinschaftshaus Oberdorfelden statt. www.musikschule.online

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