Hans-Joachim Schalies veröffentlicht sein drittes Buch. Diesmal geht es um die Verfolgungsgeschichte der Religionsgemeinschaft in der früheren DDR.
Sie wurden verunglimpft als „eine raffiniert getarnte amerikanische Spionage-organisation“. Der Druck der DDR-Behörden auf die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas nimmt im Jahr 1950 zu. Die Volkspolizei löst zahlreiche Kreiskongresse auf und verhaftet Redner von der Bühne weg. In der letzten Augustwoche bereitet eine raffiniert geführte und mit Verleumdungen gespickte Pressekampagne die Bevölkerung der DDR auf das geplante Verbot der Zeugen Jehovas vor.
Am 30. August 1950 wird das Verwaltungsgebäude der Wachtturm-Gesellschaft in Magdeburg durch das Ministerium für Staatssicherheit besetzt und das Eigentum der Religionsgemeinschaft beschlagnahmt. Die meisten Mitarbeiter werden verhaftet. Landesweit wird eine Verhaftungswelle initiiert, der minde-stens 500 Zeugen Jehovas zum Opfer fallen. Am nächsten Tag, dem 31. August 1950 verfügt DDR-Innenminister Dr. Steinhoff die Streichung von Jehovas Zeugen aus der Liste der erlaubten Religionsgemeinschaften und setzt damit das Verbot in Kraft. Den Zeugen Jehovas wird „systematische Hetze gegen die bestehende demokratische Ordnung und deren Gesetze sowie Spionage vorgeworfen.
Am 4. Oktober 1950 werden in einem Schauprozess unter Vorsitz von Hilde Benjamin, Vizepräsidentin des Obersten Gerichts (1949–1953) und spätere Justizministerin (1953–1967) zwei führende Mitarbeiter der Wachtturm-Gesellschaft zu lebenslangem Zuchthaus und sieben andere zu Zuchthausstra-fen von acht bis 15 Jahren verurteilt. Wie kam es zu so hohen Strafen?
Bei jedem gehaltenen Vortrag von Beauftragten der Wachtturm-Gesellschaft waren mehrere Spitzel zugegen um Anklagegründe zu finden. Bei einem Zivilisten war man sich nicht so ganz sicher. Deshalb fragte man ihn vor dem Vortrag: „Ach, Herr Wachtmeister, können Sie uns die genaue Uhrzeit geben?“ Da er es tat wußte man, daß er, da er nicht widersprach, ein Polizist in Zivil war.
In einem Artikel der „Berliner Zeitung“ vom 4. August 1950 war zu entnehmen, daß die Glaubensgemeinschaft der Parteiführung unter Walter Ulbricht schon seit 1949 ein Dorn im Auge war. Insbesondere die steigende Zahl der Gläubigen machte mißtrauisch. Sie sei „rapide gestiegen“, was sich vor allem in den demokratischen Massenorganisationen DFD und FDJ, zumTeil auch schon in der Partei bemerkbar macht“, heißt es in einem Protokoll der Politbürositzung vom 13. September 1949. Die Aufforderung der Bibelforscher, sich an den Wahlen nicht zu beteiligen, wertete das Gericht als „Kriegs- und Boykotthetze“.
Kürzlich brachte Hans-Joachim Schalies sein drittes Buch heraus. Diesmal ging es um die Opfer der Zeugen Jehovas aus der Region, die unter der DDR-Diktatur verfolgt wurden.
Die auf der Titelseite angeführten Überschriften aus DDR-Zeitungen haben eine besondere Bewandtnis. Sie alle beweisen die Diskriminierung und Verleumdung einer Religionsgemeinschaft, nur weil sie politisch neutral war und ihren Haupt-sitz im amerikanischen Brooklyn hatte. Der Grund dafür war, daß besonders in den Vereinigten Staaten von Amerika Religionsfreiheit herrschte, was sich auch andere Religionsgmeinschaften zunutze machten.
Das Buch von Schalies dokumentiert 11 Lebensgeschichten von früheren DDR-Bürgern, die danach im Wetteraukreis bzw. im Main-Kinzig-Kreis lebten. Einige sind bereits verstorben. Manche von ihnen wurden zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Verweigerung des Militärdienstes verurteilt.
Am 14. März 1990 wurden Jehovas Zeugen unter der Regierung von Lothar de Maizière als Religionsgemeinschaft in der DDR mit Sitz in Berlin wieder staatlich anerkannt. Heute sind Jehovas Zeugen in Deutschland in allen 16 Bundeslän-dern als Körperschaft des öffentlichen Recht anerkannt.
Das Buch von Schalies kann ohne weiteres als Stück Zeitgeschichte betrachtet werden.
Bildunterschrift:
Hans-Joachim Schalies präsentiert sein neues Buch „Als die DDR den Zeugen Jehovas die Freiheit wieder gab. Es ist ein spannendes Zeitdokument über die systematische Verfolgung einer Religionsgemeinschaft. (Foto: Tobias Schalies).
Quelle: Redaktion MKK Echo